Freitag, 4. Mai 2012

EU vertagt Beschluss zu Kapitalvorschriften für Banken

EU vertagt Beschluss zu Kapitalvorschriften für Banken:


Großbritannien will Vorgaben eigenhändig verschärfen können
Brüssel, 3. Mai- Die EU-Finanzminister haben einen Beschluss über die künftigen Kapitalvorschriften für Europas Banken nach einem 16-stündigen Verhandlungsmarathon vorerst vertagt. Noch sperrt sich Großbritannien gegen eine Einigung, die nun aber in knapp zwei Wochen gefunden werden soll, wie die dänische EU-Ratspräsidentschaft am Donnerstag in Brüssel mitteilte. Knackpunkt ist die Forderung Londons, die EU-Vorgaben eigenhändig verschärfen zu dürfen.
Die EU-Länder verhandeln derzeit darüber, wie sie die von den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern (G-20) beschlossenen Kapitalvorschriften für Banken umsetzen. Damit Banken besser gegen Krisen geschützt sind, sollen sie ihre finanziellen Rücklagen ab 2013 schrittweise erhöhen. Doch während über dieses Ziel Einigung besteht, sorgt die britische Regierung mit der Forderung für Streit, dass sie die EU-Regeln auch ohne grünes Licht aus Brüssel für die einheimischen Banken verschärfen können will.
Die neuen Bestimmungen sehen vor, dass die Banken ihre sogenannte Kernkapitalquote in den kommenden Jahren schrittweise von zwei auf sieben Prozent erhöhen müssen. Großbritannien beherbergt mit London den größten Finanzplatz Europas und ist wirtschaftlich von der Branche abhängig. Da die Regierung in London die Banken aber in der Finanzkrise mit riesigen Summen stützen musste, will sie den Finanzhäusern nun im Alleingang höhere Sicherheitspolster vorschreiben können. Besonders die EU-Kommission lehnt nationale Sonderregeln ab.
Die dänische Ratspräsidentschaft legte den Finanzministern schließlich einen Kompromissvorschlag vor, nach dem die nationalen Behörden ihren Banken zusätzliche Kapitalpuffer von drei bis fünf Prozent vorschreiben können, ohne dass dafür ein EU-Beschluss notwendig ist. “Es gibt eine qualifizierte Mehrheit dafür, aber wir würden gerne eine noch größere Unterstützung erreichen”, erklärte die dänische Finanzministerin Margrethe Vestager nach der Sitzung.
In deutschen Regierungskreisen wurde diese Verständigung fast aller EU-Länder als “wesentlicher Durchbruch” bezeichnet. Wichtig sei vor allem, dass durch mögliche nationale Sondervorschriften die EU-Regeln nur verschärft, nicht aber verwässert werden könnten.
Großbritannien sperrte sich aber EU-Diplomaten zufolge gegen den Kompromiss und verhinderte einen einstimmigen Beschluss. Vestager hofft nun, die Briten bei einem Treffen am 15. Mai ins Boot zu holen, um die neuen Regeln – die als Kernstück der Reaktion auf die Finanzkrise gelten – im Konsens beschließen zu können.
Im Verlauf der Entscheidungsprozesses, in den auch die EU-Kommission und das Europaparlament einbezogen werden müssen, könnte Großbritannien aber letztlich überstimmt werden. Die Zeit für einen Beschluss drängt: Die Kapitalvorschriften sollen für die 8300 Banken in Europa zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten.
In der Branche stößt der sich abzeichnende Kompromiss bereits auf Kritik. “Die EU-Finanzminister müssen nun aufpassen, dass die Finanzmarktregulierung in Europa nicht vollends auseinander fällt”, warnte der Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes in Berlin, Michael Kemmer. “Die zusätzlichen Kapitalanforderungen dürften es Banken zudem erschweren, außerhalb ihres Heimatmarktes Kredite an Unternehmen zu vergeben.” Das erschwere die wirtschaftliche Erholung Europas.
jdö/ilo (AFP)

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