Von Ralf Isermann
Vor fünf Jahren endete in Wildbad Kreuth eine Ära
MÜNCHEN, 17. Januar (AFP) – Es ist erst fünf Jahre her. Alle Protagonisten von damals leben noch. Und doch streitet die CSU dieser Tage über die Umstände des Rückzugs von Edmund Stoiber, als wäre es ein Ereignis aus so fernen Zeiten, dass nur Historiker die genauen Umstände aufklären können. Wurde Edmund Stoiber wie von Horst Seehofer behauptet in Wildbad Kreuth gestürzt? Oder war es ein freiwilliger Rücktritt, wie es Erwin Huber und Günther Beckstein sagen? Die Leidenschaft, mit der dabei gestritten wird, zeigt vor allem, dass noch immer nicht die Wunden des 18. Januar 2007 verheilt sind.
Diese Woche tagt wieder die CSU-Landtagsfraktion in Kreuth. Insgesamt beraten 92 Abgeordnete. Vor fünf Jahren saßen noch 124 CSU-Abgeordnete in Kreuth beisammen und redeten sich über Stoiber die Köpfe heiß. Der Verlust von 32 Mandaten ist bis heute das äußere Zeichen, dass im Nachgang von Kreuth 2007 vieles in der CSU falsch gemacht wurde und deshalb bei der Landtagswahl 2008 nach über vierzig Jahren die absolute Mehrheit verloren ging.
Kein Wunder, dass für diese historische Pleite niemand die Verantwortung haben will. So tun Erwin Huber und Günther Beckstein derzeit alles dafür, um ihre Schuld an dem Wahldesaster von 2008 klein zu reden. Huber war bei der Wahl CSU-Chef, Beckstein Ministerpräsident – die beiden übernahmen im Herbst 2007 das Ruder, nachdem Stoiber seine Ämter fast ein dreiviertel Jahr nach seiner Rücktrittsankündigung doch endlich aufgegeben hatte.
Heute scheint schon fast wieder vergessen, warum Stoiber vor fünf Jahren abtrat. Doch damals galt sein Rücktritt den meisten als unausweichlich. Zuerst hatte er sich und die CSU nach der Bundestagswahl 2005 mit seinem spontanen Rückzug von der Aufgabe als Super-Bundeswirtschaftsminister zum Gespött gemacht. Dazu kam die Spitzelaffäre um die Fürther Landrätin Gabriele Pauli – Stoibers Bürochef hatte das Privatleben der Stoiber-Kritikerin ausspioniert.
Bei der Klausur der Landtagsfraktion in Kreuth machte Stoiber dann den womöglich größten Fehler. Nur wenige Tage, nachdem ihm der CSU-Vorstand das Vertrauen ausgesprochen hatte, kündigte er an, bis 2013 Ministerpräsident bleiben zu wollen. Die Fraktion, die auf einen schnellen Rückzug Stoibers nach einem Wahlerfolg spekuliert hatte, geriet in Aufruhr.
Huber bezeichnet die Lage damals als weitaus schwieriger als die jetzige Situation mit dem Zwang zu einer Koalition mit der FDP. In der “Süddeutschen Zeitung” erinnerte er daran, dass 2007 die Opposition über eine Volksabstimmung Neuwahlen erzwingen wollte. In der CSU hätten viele dies als aussichtsreich empfunden und ihre Partei danach in der Opposition gesehen, sagt Huber heute.
Doch weil es nicht dazu kam und Huber und Beckstein alleine die Wahlniederlage 2008 verantworten mussten, scheint das alles inzwischen für viele weit weg. So weit, dass offenbar die Ersten zu vergessen beginnen. Allen voran Horst Seehofer. Der hatte, kurz nachdem er das Duo Beckstein-Huber abgelöst hatte, sich selbst scharf von Stoiber abgegrenzt. Vor allem das Milliardendesaster der Bayerischen Landesbank lastete er diesem an.
Doch nicht zuletzt wegen der schlechten Umfragewerte der CSU änderte Seehofer inzwischen seinen Kurs. Er versucht nun, das Wählerpotenzial der nach wie vor großen Zahl treuer Stoiber-Anhänger für sich zu nutzen. Stoibers 70. Geburtstag im vergangenen September machte er zu einer großen Sause. Zuletzt lobte er immer wieder Stoibers strikten Sparkurs, der Bayern heute wieder Spielräume für Investitionen gibt.
Im kommenden Landtagswahlkampf soll Stoiber auch wieder voll eingebunden werden. “Seine Bedeutung für die Partei reicht weit in die heutige Zeit und in die Zukunft hinein”, sagte Seehofers Adlatus, CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt, der “Bild”. Von einem Erbe Hubers oder Becksteins spricht in der CSU dagegen niemand – es scheint, als hätten Stoibers einst treueste Minister endgültig den schwarzen Peter für Kreuth 2007 zugeschustert bekommen.
ran/cha

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