Ein Kommentar von Alexander Benesch
Man muss zugeben, der Deutsche Kim Schmitz von Megaupload wirkt wie ein klassischer Bond-Schurke: Er hat das Aussehen von Gert Fröbe in Goldfinger und die gleiche Leidenschaft für teure, mit bizarren Hight-Tech-Sicherheitsmaßnamen vollgestopfte Paläste wie Dr. No.
Es lohnt sich, die Anklageschrift zu lesen, die in detaillierter, kompakter Sprache erklärt wie das Modell Megaupload funktioniert hat. Nicht alle Juztizdokumente auf der Welt lesen sich wie eine Satellitenreceiver-Bedienungsanleitung in Farsi.
Schmitz und Co. bezahlten Leute dafür, urheberrechtlich geschütztes Material illegal zu kopieren und auf die Megaupload-Server hochzuladen. Auch mit der “Twinkie”-Verteidigungsstrategie (zu viele Süßigkeiten gegessen und deshalb eingeschränkt zurechnungsfähig gewesen) wird der dicke Deutsche vor Gericht kaum entschuldigen können, dass er jahrelang ganz genau wusste, dass fast gar keine Dateien wie “tante_ida_sommervideo.avi” oder “hamlet_shakespeare_play.mpg” auf Servern weltweit gehostet wurden, sondern eher kulturelle Perlen wie “weapons_of_ass_destruction_part_17-DVD-rip-w*a*r*e*z###-LOL-[spankwanker-group]“.
Es wurden automatisch Links generiert, die zu den Dateien hinführten, auch mehrere Links zu ein und derselben Datei. Der geneigte User konnte einfach auf irgendwelchen Linklisten in den Untiefen des Internets das Gewünschte suchen und über den jeweiligen Link zu der Megaupload-Datei sein Entertainment sehen. Allerdings musste man an Megaupload Geld bezahlen, damit nicht mittendrin der neuste Hollywood-Schinken stehenblieb. Über 100 Millionen Dollar spülte es durch diese Abos und Werbeeinblendungen in die Kassen.
Es war nie möglich, direkt auf der Megaupload-Seite nach urheberrechtlich geschütztem Material zu suchen. Irgendwie meinte man, auf diese Weise nicht belangt werden zu können. Auch die Nutzer meinten, unangreifbar zu sein. Vielleicht hängt nun für den einzelnen jetzt eine Stange Geld davon ab, was die Anklage mit den beschlagnahmten Daten anstellt und ob Schmitz einen Deal mit der Staatanwaltschaft aushandeln kann.
Anonymous ließ sich nicht lange nach dem “Bust” (Slang-Wort für Razzien) bitten und legte ein paar Webseiten lahm um für die kostenlose oder zumindest spottbillige Verfügbarkeit von hirnlosem Entertainment für die Massen zu kämpfen. Weil der Konsum von hirnloser Musik, Ass to Mouth und Hollywoods neuster Fortsetzung einer Fortsetzung die Welt retten wird. Ich schlafe nachts besser weil just in diesem Moment auf der Welt impotente Couch-Surfer sich die dritte Staffel von HEROES ansehen und Doritos essen.
Die Hollywood-Vertreter von RIAA und MPAA entrüsten sich über den millionenfachen Diebstahl, schließlich stünden Millionen Jobs in der Industrie und die ganze “Traumfabrik” auf dem Spiel. Nun, vielleicht ist Hollywood selbst schuld, dass das Publikum keine Ahnung hat, wie Filme eigentlich gemacht werden. Man wird im Fernsehen und im Kino ja schier zugemüllt mit dem Glanz der Stars, ihren Privatjets, Galas, Jachten und Drogenparties. Was kümmert es den Raubkopierer, wenn sich Tom Cruise nur noch einen Gulfstream IV-Jet leisten kann an Stelle eines Gulfstream V?
Dass die allermeisten Schauspieler in Los Angeles die wenigste Zeit überhaupt in der Branche arbeiten, sondern jahrelang kellnern und eine Absage nach der anderen kassieren in der vergeblichen Hoffnung, irgendwann den Durchbruch zu erleben, das will das Publikum gar nicht wissen. Oder dass fast alle Jobs bei den Blockbuster-Produktionen mies bezahlt sind und sich anfühlen wie eine Internierung in Guantanamo. Oder dass die “kreative” Branche von zugekoksten BWL-Absolventen und Anwälten dominiert wird. Sie glauben, die amerikanischen Zeichentrick-Klassiker wurden in Amerika gezeichnet? Ein paar Einzelbilder ja, der Rest (bis zu 30 Bilder pro Sekunde Film) wird an asiatische Billiglohn-Einrichtungen ausgelagert. Wenn Hollywood dichtmachen würde, suchen sich vielleicht Millionen US-Bürger endlich richtige Jobs.
Das Internet hat interessanterweise in den letzten Jahren schonungslos offengelegt, wie krass die Unterhaltungsindustrie selbst gestohlen hat. Star Wars ist nur eine Kollage aus anderen Stories; die entscheidenen Szenen kopierte man verbatim aus älteren Werken. Für Matrix stahlen die Wachowski-Brüder einfach die “The Invisibles”-Comics von Grant Morrison. Die Charaktere, die Optik, die Story, alles Morrison. Aber wehe sie laden sich den Film einfach so herunter, dann trifft sie die Rache der Warner-Brüder! Für Matrix Reloaded und Matrix Revolutions ließen sich die Wachowskis selbst eine Story einfallen und ruinierten prompt die Serie. Die Drehbücher sind nach einhelliger Meinung völlig misslungen und unverständlich, die Fans wünschen sich fast man hätte noch den Rest von Morrison geklaut.
James Cameron stahl das Drehbuch für den Terminator von Harlan Ellison. Seit einer gerichtlichen Auseinandersetzung steht im Abspann ein entsprechender Hinweis. Black Swan, Oscar-prämiert, ein dreistes Plagiat eines japanischen Animes namens Perfect Blue. Die Nerds unter den Filmemachern werden eingeholt von der Tatsache, dass ihr Publikum inzwischen auch zu Super-Nerds herangereift ist und die obsuren Filme fast besser kennt.
Quentin Tarrantino ist der Chief Honcho der Film-Diebe. Seine ach so geschätzten Dialoge? Gestohlen aus obskuren Trash-Filmen. Seine Drehbücher? Rip-offs. Reservoir Dogs ist nichts als der 1987er Hong Kong Action Film “City on Fire” mit westlichen Schauspielern und Popkultur-Dialogen.
In der Musikbranche sieht es nicht besser aus. Metallica, berühmt für ihre Musik und ihre Kampagne gegen die Musiktauschbörse Napster, stahlen eine signifikante Anzahl an Riffs und Melodien für ihre Hits von unbekannten Künstlern. Bei den nicht wenigen langweiligen Songs in der Metallica-Diskografie entsteht der Eindruck, hier die tatsächliche, echte Band zu hören: Ideenlose Millionäre die es nach Jahrzehnten im Handwerk immer noch nicht beherrschen, alleine ein Lied zu schreiben das nicht einschläfert. Das ganze Metal-Genre, mein eigener Favorit, leidet unter Kannibalismus und Ideenlosigkeit.
Pop: Man müsste Leute auftreiben die noch nie von Lady Gaga gehört haben und ihnen die Musik vorspielen. Ich wette alle würden urteilen es handle sich um radiofreundlichen, langweiligen Allerweltspop. Das einzig Aufmerksamkeit Erregende sind tatsächlich die Koteletts und wirren Plastikhüte die die Künstlerin auf der Bühne trägt.
Rap: Fette, alte hellhäutige Mogule aus LA stahlen früher noch Rock and Roll von den Afroamerikanern. Später stahlen ein paar wenige Afroamerikaner für fette, alte hellhäutige Mogule Musik von Leuten aller Hautfarbe und wurden selber dabei reich. Solange Leute aus der mittleren und unteren Mittelschicht weiter völlig überteuerte Billig-Klamotten von HipHop-Marken kaufen die aus Sklavenfabriken in Asien und Mittelamerika stammen, fahren ein paar wenige Straßenköter weiter Bentley und dürfen mit den weißen fetten alten Mogulen auf die gleichen Parties. Bloß nicht die Hip Hop-Klamotten warm waschen, sonst geht die Farbe raus!
Hier ist die magische Formel von Rap: Man bezahlt seine Homies im Studio dafür, kistenweise obskure Schallplatten aus aller Welt aus allen Epochen zu kaufen, gibt ihnen ein Päckchen Weed und lässt sie stundenlang das Zeugs dann durchhören. Stößt man auf etwas das sich zu stehlen lohnt, kopiert man die entsprechende Stelle in einen Sampler und schreibt den Namen des Lieds auf einen Zettel.
Ist der Zettel voll, bekommt ihn Oberhomie und er bastelt das Lied einfach nach oder loopt das Sample 40 Mal und legt eine Bassline drunter. Dann noch ein paar Phantasie-Reime drüber über das Gangsta-Leben und fertig ist der Hit! Wer hat nicht schon die Hüften geschwungen zu Dr. Dre’s “Nuthin’ but a ‘G’ Thang”, einem der “größten Klassiker” des Rap? Es handelt sich eigentlich um das Lied “I Want’a Do Something Freaky To You” von Leon Haywood. Man fragt sich, vom wem Haywood das Ganze vielleicht zuerst gestohlen hat…
That’s total shizzle my Dre-nizzle!
Man stahl in den 80ern aus den 60ern und 70ern. In den 90ern stahl man dann auch aus den 80ern. Dann stahl man Musik aus anderen Kulturkreisen, vornehmlich Indien und Pakistan, weil es sonst fast nichts mehr zu stehlen gab und man hoffte, dass der Diebstahl von weit entfernten Bangra-Platten weniger bemerkt werden würde.
Der größte Dieb der Branche ist vielleicht Timbaland, quasi der Quentin Tarrantino der Musik. Er behauptet, nur zu “samplen” wenn er ganze Lieder stiehlt ohne Lizenzkosten zu bezahlen. In Zeiten des Internets wird sein überhebliches vermeintliches Genie gnadenlos auf Youtube entlarvt. Suchen sie auf Youtube einfach nach Begriffen wie “Timbaland”, “plagiarize”, “steal”, “music”. Puff Daddy hat wenigstens noch ordentlich Lizenz-Geld bezahlt für die alte weiße Popmusik die er dann an ein junges Publikum weiterverkauft hat.
Inzwischen sind die 90er auch länger her und die jüngeren Leute unter 23 kennen diese Musik nicht mehr. Was liegt also näher als Grabschändung zu betreiben beim 90er Jahre Euro-Trash-Elektro-Pop? Jezt wird aus Haddaways Gassenhauer “What is Love” mal eben Eminems neuester “Hit”. Wann kommt Lil Wayne mit einer Single auf dem Markt die auf dem Song “Cotton Eye Joe” basiert? Stellen sie sich tausende Weed rauchende Homies weltweit vor, die jetzt in diesem Moment in fensterlosen Räumen vor ihrem MPC-Sampler sizten und stundenlang “Musik” hören wie “Shut up” von “Sin with Sebastian” oder “No limits”von “2 unlimited”. Wahrscheinlich braucht man als Musik-Producer heutzutage mehr als nur Weed um den Job zu ertragen…
Wie Max Keiser kürzlich in seiner Sendung Keiser Report festhielt, handelt die Unterhaltungsindustrie mit Derivaten, i.e. mit hundertfach aufgewärmten Inhalten. Man bastelt Frankensteins aus den Leichenteilen von Werken, deren Urheber oft erfolglos blieben und sich nicht den Anwalt leisten konnten um gegen die Major Labels und Filmstudios vorzugehen. Lesen sie mal in ein Buch rein über das Filmemachen. Da finden sie dann Hinweise wie sie es erschweren, dass Studiobosse ihre Drehbücher stehlen. Das Raubkopieren verschlimmert die Situation weil niemand mehr das Risiko eingehen möchte, etwas anderes zu finanzieren als Fortsetzungen und Plagiate von erfolgreichen Schinken. Explosionen, Autos, Titten und Computereffekte kommen weltweit gleich gut an, im Gegensatz zu kulturell wichtigen Werken, die im Ausland vielleicht nichts einfahren. Glücklicherweise gibt es Web-Plattformen wie Kickstarter bei dem zahllose Klein- und Kleinstinvestoren neue, frische Projekte finanzieren können. Die Frage ist, ob sich auch hier wieder nur Plagiate von Mainstreamproduktionen durchsetzen können weil der Konsument glaubt, Filme wachsen auf Bäumen und produzieren sich wie fast von selbst.
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