Plädoyers im Prozess um Buback-Mord beginnen am Dienstag:
Von Jürgen Oeder
Ex-RAF-Terroristin Becker kann auf Bewährungsstrafe hoffen
Karlsruhe, 11. Juni – Strafprozesse wie der um den 1977 ermordeten Generalbundesanwalt Siegfried Buback taugen nicht zur Aufklärung der historischen Wahrheit, wenn Mitwisser schweigen. Zwar geht mit dem Beginn der Plädoyers am Dienstag das Verfahren gegen die wegen Mittäterschaft angeklagte Ex-RAF-Terroristin Verena Becker nach anderthalb Jahren dem Ende entgegen. Doch Antworten auf die vor allem für den Sohn des Opfers, Michael Buback, wichtige Frage, wer damals seinen Vater erschoss, hat der Mammutprozess vor dem Oberlandesgericht Stuttgart nicht gegeben: “Ich war nicht dabei”, war alles, was Becker dazu sagte.
Der Vorsitzende Richter Hermann Wieland hatte in den oftmals quälend langen 91 Verhandlungstagen zwar immer wieder mit Blick auf die “Menschenwürde der Opfer” an “Gewissen und Moral” Beckers und der als Zeugen geladenen ehemaligen Terroristen der linksextremen Roten Armee Fraktion (RAF) wie Brigitte Mohnhaupt oder Christian Klar appelliert. Doch bis auf den widersprüchlichen RAF-Aussteiger Peter-Jürgen Boock hielt die aus früheren RAF-Prozessen bekannte Mauer des Schweigens auch diesmal allen bohrenden Fragen stand.
Und auch die erneute Anhörung der Augenzeugen des Anschlags vom 7. April 1977 ergab nichts Neues zum Ablauf des Attentats in Karlsruhe: An jenem Gründonnerstag hielt ein Motorrad mit zwei bis heute unbekannten RAF-Mitgliedern neben dem Dienstfahrzeug des Generalbundesanwalts. Dann wurden vom Sozius aus mit einer Maschinenpistole geschossen und Buback sowie seine beiden Begleiter Wolfgang Göbel und Georg Wurster getötet.
Zwar wurden 1980 Knut Folkerts und 1985 Brigitte Mohnhaupt sowie Christian Klar wegen Mittäterschaft an dem Anschlag verurteilt. Der Fall geriet aber in Vergessenheit, bis sich 2007 Boock in den Medien äußerte und Michael Buback daraufhin eine Wiederaufnahme der Ermittlungen auch gegen Becker erreichte.
Die heute 59-Jährige war zwar seit 1977 verdächtig, weil sie bei ihrer gemeinsamen Festnahme mit Günter Sonnenberg die Mordwaffe mit sich führte. Doch Haare und Sekretspuren an der beim Anschlag benutze Motorradkleidung waren nicht von Becker. Erneute DNA-Untersuchungen im Jahr 2008 ergaben allerdings, dass Speichelspuren an den damaligen Bekennerschreiben der RAF von Becker stammten. Dies und die Aussagen Boocks, Becker sei bei den Anschlagsvorbereitungen mit der Forderung: “Der General muss weg”, eine treibende Kraft gewesen, reichten der Bundesanwaltschaft aus, Anklage gegen Becker wegen Mittäterschaft zu erheben.
Doch ob es zu solch einer Verurteilung kommt, ist nach Hinweisen des Gerichts eher fraglich. Zwar versuchte Nebenkläger Buback mit einer Vielzahl von teils eigenwilligen und vom Gericht mit großer Geduld abgearbeiteten Beweisanträgen darzulegen, dass Becker die Mörderin seines Vaters ist. Und ab Donnerstag hat der Chemieprofessor dann in seinem Plädoyer nochmals zwei Tage lang Gelegenheit, seine Theorie darzulegen, wonach Becker früher für den Verfassungsschutz arbeitete und der Geheimdienst seitdem seine schützende Hand über sie hält.
Dass das Gericht Bubacks Auffassung nicht teilt und auch die Beweise der Bundesanwaltschaft zur tragenden Rolle Beckers bei den Attentatsplänen für womöglich zu dünn hält, machte der Vorsitzende Richter Wieland bereits deutlich: Anstatt wegen Mittäterschaft könnte Becker auch nur wegen Beihilfe verurteilt werden, hatte der Richter angemerkt.
Das dann wesentlich geringere Strafmaß könnte womöglich zur Bewährung ausgesetzt werden: Das Gericht muss bei der Strafhöhe zugunsten der Angeklagten berücksichtigen, dass Becker wegen einer Schießerei bei ihrer Festnahme im Mai 1977 zu lebenslanger Haft verurteilt worden war und bis zu ihrer Begnadigung zwölf Jahren Haft abgesessen hat. Gut möglich, das Becker deshalb nach der für den 6. Juli geplanten Urteilsverkündung das Gericht als freie Frau verlassen könnte.
AFP
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