Mittwoch, 25. Januar 2012

Obama schaltet in den Wahlkampf-Modus

Obama schaltet in den Wahlkampf-Modus:


Von Gregor Waschinski


US-Präsident betont in Rede zur Lage der Nation soziale Gerechtigkeit


WASHINGTON, 25. Januar (AFP) – Vor vier Jahren trat Barack Obama als Prophet des Wandels bei den US-Präsidentschaftswahlen an und traf damit inmitten einer schweren Rezession nach acht Jahren George W. Bush den Nerv der Zeit. Die Folgen der Krise sind alleine durch die hohe Arbeitslosigkeit noch immer spürbar, auch in anderen Bereichen blieb die versprochene Erneuerung hinter den Erwartungen zurück. Die Botschaft Obamas für die Wahlen im November, die er am Dienstag bei der jährlichen Rede zur Lage der Nation umriss, lautet: soziale Gerechtigkeit. Damit könnte er wieder die Stimmung der Wähler erfassen.


Die von der Verfassung vorgeschriebene “State of the Union Address” hat eine lange Tradition, die bis in die Anfänge der Vereinigten Staaten zurückreicht. Normalerweise ermöglicht die Ansprache den Präsidenten, die Bevölkerung auf ihre politischen Ziele im neuen Jahr einzustimmen und Rechenschaft über ihre Entscheidungen abzulegen. Doch für einen Staatschef, der eine zweite Amtszeit anstrebt, wird das Rednerpult im Kongress in Wahljahren zur Bühne. Ungefiltert kann er einem Millionenpublikum vor den Fernsehern erklären, warum er weitere vier Jahre im Weißen Haus unverzichtbar sei.


“Wir können uns entweder mit einem Land zufrieden geben, in dem es einer schrumpfenden Zahl von Menschen richtig gut geht, während eine wachsende Zahl Amerikaner kaum über die Runden kommen”, sagte Obama, der mit Zustimmungswerten von unter 50 Prozent um seine Wiederwahl bangen muss. “Oder wir können eine Wirtschaft wiederherstellen, wo jede eine faire Chance bekommt.” Für alle müssten die gleichen Regeln gelten müssten, “von oben bis unten”.


Nach einer im vergangenen Herbst veröffentlichten Studie des Haushaltsbüros des Kongresses hat sich das Einkommen des reichsten Prozents in den USA seit 1979 fast verdreifacht, der Wohlstand der breiten Bevölkerung wuchs dagegen kaum. Die Occupy-Bewegung trug diese Entwicklung im Herbst medienwirksam mit Protestzeltlagern an die breite Öffentlichkeit. Die Bewegung selbst blieb ein Randphänomen – doch das diffuse Unbehagen blieb, dass die Lasten der Krise unfair zu Lasten der Mittelschicht verteilt sind.


Selbst in den Vorwahlkampf der Republikaner haben ungewohnt populistische Töne gegen Reichtum und Profitstreben Einzug gehalten. Zielscheibe ist Mitt Romney, der sich zunächst von seinen Rivalen vorwerfen lassen musste, mit seiner Investmentfirma Bain Capital plündernd und ohne Rücksicht auf die Arbeitnehmer durch die US-Unternehmenslandschaft gezogen zu sein. Später geriet der Multimillionär unter Druck, seine Steuerunterlagen zu veröffentlichen. Dabei wurde offenbar, dass Romney im Jahr 2010 auf seine Einnahmen von fast 22 Millionen Dollar nur einen Steuersatz von 13,9 Prozent gezahlt hatte.


Obama erkennt, dass sich einfache US-Bürger weniger mit Romney, sondern vielmehr mit Menschen wie Debbie Bosanek identifizieren können. Die Sekretärin des milliardenschweren Investors Warren Buffett saß bei der Rede im Kongress neben Präsidentengattin Michelle Obama auf der Tribüne. Buffett hatte im vergangenen August beklagt, dass sein Steuersatz niedriger als der seiner Sekretärin sei, und einen Aufschlag für Superreiche gefordert. Damals forderte Obama eine Art “Buffett-Regel”, wonach Millionäre in den USA steuerlich nicht besser gestellt sein dürften als die Mittelschicht.


In seiner Rede am Dienstagabend schlug der Präsident in die gleiche Kerbe. Obama verlangte einen Mindeststeuersatz von 30 Prozent für Millionäre, denen er zudem verschiedene Steuererleichterungen streichen will. Dagegen versprach er, die Steuern für Haushalte mit einem Jahreseinkommen von unter 250.000 Dollar nicht zu erhöhen. Angesichts des Widerstandes der Republikaner im Kongress dürfte Obama die Pläne zwar kaum umsetzen können. Das aber würde dem Präsidenten wieder neue Wahlkampfmunition liefern – umso mehr, sollte Romney sein republikanischer Herausforderer werden.


gw/ju

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