
Von Jutta Hartlieb
Straßburger Richter prüfen Fall zu US-Geheimgefängnis in Litauen
STRASSBURG, 8. Dezember (AFP) – Die Hölle begann für Abu Subeida am 28. März 2002. An diesem Tag wurde der staatenlose Palästinenser von US-Agenten in Pakistan festgenommen – unter dem Verdacht, ein hochrangiges Mitglied der Terrororganisation El Kaida zu sein. Damit begann für Subeida eine lange Reise durch die berüchtigten Folterkammern, die der US-Geheimdienst CIA nach den Anschlägen vom 11. September 2001 auch in mehreren europäischen Ländern für mutmaßliche Terroristen eingerichtet hat. Sie führte ihn nach Thailand, Polen, Marokko und Litauen. Seit Herbst 2006 ist der heute 40-Jährige im US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba inhaftiert.
Mit einer Station dieser Horror-Reise beschäftigt sich nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Sie betrifft Subeidas Inhaftierung in einem CIA-Gefängnis in Litauen von Februar 2005 bis September 2006. Eingereicht wurde die Beschwerde im Juli von der Menschenrechtsorganisation Interights. Sie richtet sich gegen Litauen, weil das Land der Einrichtung des Gefängnisses zugestimmt hatte. Litauen habe von den Foltermethoden der CIA gewusst, machen die Kläger geltend. Der baltische Staat sei daher mitverantwortlich für das Leiden Subeidas.
Interights schildert in der 90 Seiten dicken Klageschrift ausführlich und unter Berufung auf zahlreiche offizielle Quellen, wie Häftlinge in den “black sites” genannten CIA-Geheimgefängnissen gefoltert wurden. Die Organisation verweist auf einen Bericht des US-Justizministeriums vom Jahre 2004, der zehn so genannte “erweiterte Verhörmethoden” aufgelistet, die für die Jagd nach mutmaßlichen Terroristen genehmigt wurden. Sie reichen von simuliertem Ertränken bis zu tagelangem Schlafentzug bei höllisch lauter Musik und grellem Neonlicht. Häftlinge wurden auch stundenlang in kleine Boxen gepfercht, nackt an den Armen aufgehängt, mit dem Kopf gegen die Wand gestoßen. Oft bekamen sie tagelang nichts zu essen und blieben in eiskalten Zellen, bis sie blau anliefen.
Die Klageschrift enthält auch Auszüge eines Berichts des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK), dem Subeida von seiner Haft in den “black sites” berichtet hat. Demnach wurde er an ein Bett gefesselt, bekam ein schwarzes Tuch über das Gesicht gespannt, auf das seine Peiniger Wasser gossen, bis er nicht mehr atmen konnte. “Ich dachte ich würde sterben”, sagte er den IKRK. Wenn er ohnmächtig geworden sei, hätten ihm die Folterer ins Gesicht geschlagen. Subeida sei “ein Versuchskaninchen” gewesen, zitiert die Klageschrift aus dem Bericht eines ehemaligen CIA-Mitarbeiters. “An ihm wurden viele ‘erweiterte Verhörmethoden’ getestet.”
Alle Versuche der Juristen von Interights, Subeida selbst zu befragen, sind gescheitert. Der 40-Jährige darf auf Guantanamo nur seine US-Anwälte treffen, doch die sind zum Schweigen verpflichtet. Außerdem seien alle Protokolle über seine Aussagen vor den US-Behörden als geheim eingestuft worden, sagt die Juristin Helen Duffy von Interights. Mit dem Gang vor den Gerichtshof für Menschenrechte wolle sie “etwas Licht in das Dunkel der CIA-Folterkammern” bringen.
Interights wolle auch auf das Schicksal Subeidas aufmerksam machen, das typisch für viele Opfer der CIA-Hatz auf mutmaßliche Terroristen sei, sagt Duffy. Bis heute gebe es in den USA keine Anklage gegen den 40-Jährigen, der nach jahrelanger Folter physisch und psychisch angeschlagen sei. Die US-Behörden hätten inzwischen eingeräumt, dass ihm nicht einmal eine El-Kaida-Mitgliedschaft nachzuweisen sei. Dennoch bliebe er aufgrund des US-Kriegsrechts in Guantanamo in Isolationshaft.
Einem litauischen Parlamentsbericht zufolge wurde 2002 in der Hauptstadt Vilnius ein erstes CIA-Geheimgefängnis eingerichtet, zwei Jahre später ein zweites auf dem Land. Angaben über die Zahl der Häftlinge in diesen “black sites” machte Vilnius nicht. Der Generalstaatsanwalt leitete zwar Ermittlungen ein, legte sie im Januar dieses Jahres aber zu den Akten. Wann mit dem Urteil des Straßburger Gerichtshofs zu rechnen ist, steht noch nicht fest.
jh/mt
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