Montag, 31. Dezember 2012

Kanzlergehalt

Kanzlergehalt:
von Gert Flegelskamp

Lt. Pressemeldungen echauffiert sich der Kanzlerkandidat der SPD, Peer Steinbrück, darüber dass der Posten des Kanzlers bzw. der Kanzlerin unterbezahlt ist.

Mir kommen die Tränen, allerdings vor Lachen. Allmählich kommt mir der Verdacht, dass Steinbrück von Merkel engagiert worden ist, ihre nächste Kanzlerschaft zu sichern, denn solche Ausfälle würde sich doch sicherlich niemand erlauben, der ernsthaft daran interessiert ist, eine Wahl zu gewinnen.

Wenn ich etwas von Verdienst lese, stellt sich mir immer die Frage, was davon wirklich verdient und was bloßer Erhalt ist. Hinzu kommt, dass das, was die Kanzlerin monatlich auf das Konto überwiesen bekommt, ja auch nicht alles ist. Da ist z. B. eine Frage, die mich seit langer Zeit brennend interessiert. Merkel hat ihr Mandat als MdB ja nicht ruhen lassen, obwohl das eigentlich ein Novum ist, denn wie kann jemand gleichzeitig Legislative und Executive sein? Aus meiner Sicht ein Verfassungsverstoß (Gewaltenteilung). Warum aber schreiben Journalisten nie etwas darüber, wie die gegenseitige Anrechnung dieser zwei Mandate wirklich funktioniert? Wird das Einkommen der Abgeordneten Merkel mit dem Einkommen der Kanzlerin Merkel vollumfänglich verrechnet, incl. der steuerfreien Pauschale als Abgeordnete?

Neben ihren Einkünften hat die Kanzlerin noch einen Dienstwagen mit Chauffeur, eine “angemessene” Dienstwohnung, einen Mitarbeiterstab, der sich vermutlich nicht nur ausschließlich um ihre dienstlichen Belange kümmert.

Und noch eine Anmerkung zu Steinbrücks Tiraden. Abgeordnete arbeiten 7 Tage a 13 bis 14 Stunden in der Woche. Fragt sich nur für wen? Bei ihm weiß man es ja inzwischen, für die Banken. Aber wie sieht das bei den anderen Abgeordneten aus? Wie schaffen die armen Teufel es nur, neben dieser Tätigkeit noch etliche andere Funktionen auszufüllen, wie da sind Posten als Aufsichtsrat oder Beirat in den großen Konzernen, aber auch in Vereinen? Auch ist arbeitspsychologisch ja erwiesen, dass lange Dienstzeiten der Qualität der Arbeit absolut nicht förderlich sind. Auch frage ich mich gelegentlich, ob ein Essen mit Honoratioren der Gesellschaft in einem Nobelrestaurant in dem Moment zu einem Arbeitsessen und damit als Spesen absetzbar wird, wenn man nur mal einen politischen Satz ausspricht?

Das Märchen von den langen Arbeitszeiten der Politiker taucht immer mal wieder in Pressekommentaren auf, aber muss es deswegen auch stimmen? Gilt die Arbeit eines Politikers bspw. in Vereinen nicht eher als Indiz, dass er oder sie auf Stimmenfang geht? Was ist mit den Berichten über Abstimmungen und Diskussionen im Bundestag, wenn dort die meisten Stühle leer bleiben?


Doch kommen wir zurück zu den Äußerungen von Steinbrück über die Höhe des Kanzlereinkommens. Sicher, mit 17.000 € monatlich und etlichen Sonderzuwendungen wie Dienstwagen oder Dienstwohnung schafft man es ja kaum, über die Runden zu kommen. Andererseits, bei den gerne propagierten Arbeitszeiten haben die Amtsträger ja gar keine Zeit, ihr Geld auch auszugeben, denn nach 13 bis 14 Stunden Dienst haben die Geschäft ja bereits geschlossen, oder?

Was mich aber noch viel stärker verwundert, warum sich die Leute um dieses schlecht bezahlte Amt geradezu reißen. Das muss doch purer Masochismus sein. Na ja, es könnte ja auch sein, dass man diesen Job als Weichenstellung für die Zukunft macht. Ich denke da z. B. an Gerhard, den Schröder. Der hat in diesem Job schon einiges eingefädelt, was ihm heute fette Bezüge bringt. Und ein Einzelfall war der gute Gerhard auch nicht. Es gibt da etliche Politiker, für die ihre Vergangenheit als Politiker nach Beendigung ein Sprungbrett in lukrative Posten der Wirtschaft gewesen ist, Posten, die sie vermutlich ohne ihre politische Laufbahn nicht hätten erringen können, weil diese Posten weniger dem Können als den politischen Kontakten zu verdanken sind. Und schaut man sich Steinbrücks politische Karriere an, so deutet die eher auf inszenierte Pleiten denn auf politische Erfolge hin. Schließlich hat er an den Pleiten der WestLB, der IKB und der HRE aktiv und erfolgreich mitgewirkt und nicht etwa an deren Vermeidung.

Sprachlos hat mich aber ein Artikel in der WELT gemacht. Mein Gott, wie konnte ich nur so mit meiner Meinung über die Kanzlerin danebenliegen? Wie konnte es mir entgehen, dass uns Deutschen nun ein absolut neues Element, die Gelassenheit zu Eigen wurde? Ich muss mich unbedingt mal röntgen lassen, um zu wissen, ob auch ich in mir ruhe. Sicher, es stimmt schon, ich mag mich, aber mag ich deshalb auch die anderen? Das war und ist bei mir immer davon abhängig, wer die anderen sind und eine Kanzlerin Merkel, ein Finanzminister Schäuble, ein Wirtschaftsminister Rösler, ein Kriegsminister de Maizière, eine Arbeitsministerin von der Leyen oder ein Gesundheitsminister Bahr (um nur die Schlimmsten zu nennen) gehören ganz sicher nicht dazu. Aber nach diesem Artikel muss ich wohl mal in mich gehen. Doch was passiert dann, wo ich doch bereits in mir ruhe? Kann ich da parallel auch noch in mich gehen und mag ich mich auch noch, wenn ich dabei mir selbst begegne?

Als die Autorin des Artikels dann auf die Rede von Ex-Bundespräsident Köhler im Dom zu Speyer abhebt, frage ich mich natürlich einmal mehr, was mir ein Mann für Weisheiten verkaufen kann, der als Ex-Staatssekretär bei der Wende maßgeblichen Anteil am Ausverkauf der neuen Länder hatte und mit dem von ihm initiierten Bankenverkauf nicht nur die Neuen Länder, sondern auch die alten Länder um etliche 100-Milliarden ärmer gemacht hat, der dann als IWF-Direktor in Südamerika auch eine eher unrühmliche Rolle spielte?

Man könnte fast auf die Idee kommen, dass Friede Springer ihrer Freundin Angela eine Plattform geboten hat, sich unter einem Pseudonym selbst zu beweihräuchern, denn so viel hanebüchenen Unsinn habe ich selten in einem Artikel gelesen. Selbst die Anmerkungen über die EU sind zwar einerseits stimmig, soweit es den steigenden Widerwillen gegen dieses undemokratische Monster aus Beamten und Lobbyisten, genannt Europäische Union angeht, doch gleich im Anschluss revidiert die Autorin ihre eigene Aussage wieder und unterschlägt, dass die politische Macht schon längst von diesem Monster ausgeübt wird und die Kanzlerin ein Teil dieses Monsters ist.

Doch wenn ich mir das nun so überlege, gehöre ich wohl nicht zu den Deutschen, die in sich ruhen (und kann mir so das Röntgen sparen) und meine Gelassenheit verfliegt immer dann, wenn ich in den Presseberichten stöbere. Ob das ein Indiz dafür ist, dass ich gar kein Deutscher bin?

Quelle: flegel

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