Samstag, 20. April 2013

Was jetzt den Goldpreis bewegt

Was jetzt den Goldpreis bewegt:
von Manfred Gburek, 19. April 2013
Am Freitag fand ich auf der Internetseite faz.net einen Beitrag des technischen Analysten Wieland Staud von Staud Research mit dem Titel „Der Goldpreis wird weiter fallen“. Die Begründung: „Die Dynamik nach unten ist deutlich größer als die nach oben, richtig wichtige Unterstützungen wie die bei 1540 Dollar werden ohne viel Federlesen pulverisiert, und last, but not least zieht sich ein Aufwärtstrend nach dem anderen in die ewigen Jagdgründe zurück.“ Dazu das Fazit für die nächsten Monate: „Mein neues Kursziel lautet ab sofort auf Kurse zwischen 1160 Dollar und 990 Dollar.“
Falls Sie Gold besitzen, sollten Sie jetzt nicht in Angst und Schrecken verfallen, sondern erst die folgende Prognose desselben Autors in der November/Dezember-Ausgabe 2012 des Anlage-Magazins der Deutschen Bank lesen: „Der Goldchart ist im Sommer aus einem den Aufwärtstrend bestätigenden ‘Dreieck’ ausgebrochen. Er wird diesen Weg fortrsetzen. Nach der Überwindung des erreichten Widerstands bei 1790 Dollar stehen Kurse um 1900 Dollar auf der Tagesordnung. Wahrscheinlich wird aber auch das noch nicht das Ende sein.“
Die extreme Bandbreite des Goldpreises zwischen der Prognose von 990 Dollar aus faz.net vom Freitag und 1900 Dollar aus dem Anlage-Magazin der Deutschen Bank nur wenige Monate zuvor verdeutlicht einmal mehr, wie problematisch die technische Analyse ist, wenn sie sich mit einem dafür untauglichen Objekt beschäftigt, wie in diesem Fall mit dem Gold. Dessen Preis dürfte vor einer Woche schlichtweg aufgrund einer Mischung aus massiven Gewinnmitnahmen, Stoploss-Aufträgen, Fehlspekulationen, Margin calls, Zwangsverkäufen und Manipulationen gefallen sein. Seine anschließende Erholung ist wohl in erster Linie auf Käufe von Schnäppchenjägern zurückzuführen.
Dass von denen die meisten aus Asien stammen, dafür gibt es viele Anhaltspunkte. Dazu hier nur so viel: Allein die chinesischen Goldeinfuhren über Hongkong beliefen sich 2012, also sogar schon lange vor dem jüngsten Preissturz, auf 835 Tonnen, wie einer von Jan Kneist für goldseiten.de zitierten Studie zu entnehmen ist. Zum Vergleich: Die offiziellen Goldreserven Chinas machen laut World Gold Council 1054 Tonnen aus, also gar nicht so viel mehr, die Goldreserven Japans liegen mit 765 Tonnen sogar unter den Hongkong-Einfuhren eines einzigen Jahres.
Was diese betrifft, kommt Kneist zu einem interessanten Fazit: „Rechnet man dazu noch die großen indischen Importe von 200 bis 300 Tonnen pro Quartal sowie einige Zentralbankkäufe, dann wird klar, dass allein damit fast die weltweite Minenproduktion absorbiert wird.“ Wobei die großen Edelmetallkonzerne – die meisten mittleren und kleinen sowieso – aufgrund des Goldpreisrückgangs in naher Zukunft noch weniger als bisher geneigt sein werden, neue Minen zu erschließen.
Lässt man das alles Revue passieren, drängen sich gleich mehrere Fragen auf: Wenn schon die hier erwähnten fundamentalen Faktoren so positiv sind, woher haben dann die Anti-Gold-Spekulanten zuletzt den Mut genommen, an nur zwei Tagen erfolgreich gegen das Edelmetall zu spekulieren? Inwiefern haben ihnen technische Faktoren, wie Stoploss-Aufträge und Zwangsverkäufe, dabei geholfen? Wer oder welche Institution hat diese verursacht? Wie viel Manipulation ist im Spiel? Haben große amerikanische Investmentbanken zugunsten des Dollars vaterländisch interveniert, indem sie beim Gold, das als Anti-Dollar gilt, genau zu einem für sie günstigen, durch negative Goldpreisprognosen mit beeinflussten Zeitpunkt short gegangen sind? Ist der Goldmarkt jetzt bereinigt, oder kommt es zu einer weiteren Verkaufswelle?


Erwarten Sie substanzielle Antworten auf die meisten von diesen Fragen erst in den kommenden Monaten. Manche Fragen werden sogar nie zu beantworten sein, weil zum Beispiel Investmentbanken viel zu abgezockt sind, um all ihre Geheimnisse preiszugeben, und weil das nachträgliche Verfolgen einer Unmenge von Kauf- und Verkaufsaufträgen während der heißen Phase des Preissturzes viel zu zeitaufwendig ist. Was geradezu nach Aufklärung schreit, ist indes die Intervention der Investmentbank Merrill Lynch, einer Tochter der Bank of America, am Freitag vor einer Woche: Zur Eröffnung des Terminmarktes in New York mal eben 100 Tonnen Gold auf den Markt geworfen, das kann nur „unter besonderen Umständen“ zugegangen sein.
Gestatten Sie mir zum Thema Gold einen kurzen Ausflug in die Filmwelt. Hollywood hat ja nicht nur massenweise Propagandastreifen zur Motivation der US-Truppen im 2. Weltkrieg hervorgebracht, sondern danach auch eine ganze Reihe von Anti-Gold-Filmen wie „Vera Cruz“, „Goldfinger“ oder „Stirb langsam“. Als Fieslinge mit Goldsucht stellten sich populäre Schauspieler zur Verfügung, etwa Humphrey Bogart, Burt Lancaster, Gert Fröbe oder John Travolta. Dem Dollar genützt hat es allerdings nicht, dem Gold geschadet auch nicht.
Warum ich solche Filme erwähne? Weil sie – sei es, dass Gold als Mythos die Menschen schon immer fasziniert hat, sei es, dass es als böse und damit der Dollar als gut gelten soll – dazugehören, wenn es darum geht, das Phänomen Gold zu ergründen. Der erfahrene Fondsmanager Joachim Berlenbach hat den Gegensatz von Gold und Dollar in einem gerade erschienenen Interview für die Zeitschrift „Das Investment“ so umschrieben: „Ich bin fest davon überzeugt, dass mit der aktuellen Verschuldung der USA und dem Heißlaufen der Gelddruckmaschinen dort der Dollar über kurz oder lang unter Druck kommen wird. Das würde den Goldpreis unterstützen.“
Die Gelddruckmaschinen laufen zwar heiß, aber dem Goldpreis hat das bisher noch nicht geholfen, im Gegenteil, er ist vorübergehend eingebrochen. Lassen wir dazu mal das Thema Manipulation außen vor, wie wäre es dann mit einer ganz plausiblen Erklärung? Ich meine die folgende: Viele Goldanleger, die das Edelmetall über ETF, also börsengehandelte Fonds, früh genug gekauft und auf hohen Gewinnen gesessen hatten, sind schon seit einigen Monaten ausgestiegen. Die Masse der ETF-Anleger ist ihnen dann bei fallenden Goldpreisen gefolgt.
Wenigstens das ist nachvollziehbar, und zwar aus einem einfachen Grund: ETF-Anleger haben auf die Wertsteigerung spekuliert, denn Gold wirft ja keine Rendite ab. Das heißt, als Anlagemotiv tritt an die Stelle von im Großen und Ganzen kalkulierbaren aktuellen Zinsen oder Dividenden, aus denen sich Renditen einigermaßen errechnen lassen, die nicht kalkulierbare potenzielle Wertsteigerung. Insofern ist Gold eine ganz spezielle Geldanlage. Soll man daraus nun das Fazit ziehen, dass der Goldpreis erst dann wieder steigen kann, wenn die ETF-Anleger zurückkommen? Nein, denn es gibt ja noch andere Großanleger, und die haben aktuell viel mehr Geld anzulegen, an vorderster Stelle Chinesen, Inder und einige Zentralbanken.
Quelle: gburek

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