Samstag, 23. März 2013

Wie die Medien funktionieren

Wie die Medien funktionieren:
… Am Beispiel der Papstwahl können wir eines der Grundprinzipien der Medienbranche sehr schön erklären. Es ist das Grundprinzip der Spekulation. Das Problem der Medienbranche besteht darin, dass die tägliche Faktenlage dünn ist. Es passiert wenig auf der Welt.
Ein Papst tritt zurück. Ein Politiker wird gewählt. Ein Fussballklub verliert. Ein Manager macht Verluste. Ein Staatsvertrag wird verhandelt. Mehr ist nicht. Die tägliche Faktenlage füllt vielleicht acht Zeitungsseiten. Nun ist eine Zeitung aber vierzig Seiten stark. Die zweiunddreissig verbleibenden Seiten müssen also irgendwie gefüllt werden. Sie werden gefüllt mit Spekulationen.
Wer wird nächster Papst? Wie agiert der neugewählte Politiker? Braucht der Fussballklub einen anderen Trainer? Muss man den Manager abservieren? Was steht im künftigen Staatsvertrag? All diese Spekulationen füllen locker die verbleibenden zweiunddreissig Seiten.
Das Vorgehen in der Spekulationsspirale ist auf Redaktionen klar definiert. Der Journalist, der sich des Themas annimmt, hat vom Thema wenig bis keine Ahnung. Das weiss er, und das stört ihn nicht weiter. Nun telefoniert oder mailt er einem halben Dutzend anderer Leute, die vom Thema ebenfalls wenig bis keine Ahnung ­haben. Die Leute, die wenig bis keine Ahnung haben, bezeichnet man im Blatt dann als «Experten».
Die Experten rekrutieren sich im Regelfall aus Beratern, Wichtigtuern, Ehemaligen, Konkurrenten, PR-Vertretern, Selbstdarstellern, Autoren, Wissenschaftlern, Lobbyisten und Beamten. Wenn nicht genug Experten aus diesen Kategorien verfügbar sind, dann ergänzt man den Expertenpool mit anderen Journalisten.
Der Journalist fragt sie nun: «Wer wird nächster Papst? Wie agiert der neugewählte Politiker? Braucht der Fussballklub einen anderen Trainer? Muss man den Manager abservieren? Was steht im künftigen Staatsvertrag?»
Die Antworten, in dieser Reihenfolge etwa zum Papst, zu Oskar Freysinger, zum FC Luzern, zu Sergio Ermotti und zur Fatca, werden dann gedruckt und gesendet. Im Normalfall, etwa bei Päpsten oder Fussballtrainern, dauert die Spekulation wochenlang. Im Bestfall, etwa bei Politikern oder Staatsverträgen, dehnt sich die Spekulation über Monate aus. Manchmal, wenngleich eher selten, landet man einen Glückstreffer… (Auszug aus der Medienspalte in WELTWOCHE 12, 2013, von Kurt W. Zimmermann gefunden bei PI-News)

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