Donnerstag, 21. März 2013

Noch ist es für Griechenland und Zypern nicht zu spät

Noch ist es für Griechenland und Zypern nicht zu spät:
Autor: “dutch”
Ein Kommentar aus Holland …
Unter dem Gesichtspunkt, dass der Autor des in Rede stehenden / obigen Artikels in seinem Umfeld täglich die zunehmende Verarmung der Menschen (am sichtbarsten bei den Schwächsten) in Griechenland wahrnimmt, verstehe ich seinen Artikel. Der direkte Vergleich mit dem Holocaust passt aber nicht in die ansonsten äußerst berechtigte Diskussion – ein (Beinahe-) Bankrott irgendeines Landes hat wenig mit bewaffneten Fallschirmjägern und sogenannten Endlösungen zu tun.
Die Quelle der heutigen Probleme ist der lange existierende Traum von Politikern (des Nordens), dass Europa (mit dem 2. Weltkrieg noch in starker Erinnerung) sich – nach dem Modell der USA – möglichst weit vereinigen soll, damit ein Dritter Weltkrieg zumindest Europa nie wieder heimsuchen kann.

Europa kann nicht mit den USA verglichen werden

Der dabei immer noch herrschende Denkfehler war und ist, dass Europa letztendlich nicht mit den USA vergleichbar ist. Europa ist eben wirtschaftlich viel differenzierter als die USA. Die USA haben sich – über Konflikte bzw. Bürgerkrieg – wirtschaftlich und kulturell langsam zu einer Union entwickelt. Auch in den USA gibt es Unterschiede und schwächere Staaten, die zusätzliche föderale Unterstützung erhalten, aber es wird mehr oder weniger einheitlich gedacht und – sehr wichtig – zudem auch die selbe Sprache gesprochen. Diese Basisentwicklung hat vor / bis zu der industriellen Revolution und auf jeden Fall zu Zeiten stattgefunden, in denen Papiergeld noch durch Gold gedeckt war.
In Europa spricht man dagegen allem voran erst einmal nicht die selbe Sprachen, und wirtschaftlich ist es sehr unterschiedlich. Deutschland, Frankreich, England, Benelux, Spanien haben aus dem kolonialen Gewinn (und erst hier darf das Wort Holocaust fallen) schon viel früher eine Infrastruktur aufgebaut und schritten wirtschaftlich / industriell / finanziell weit voraus. Die Länder Zentral- und Südeuropas konnten dagegen diesen Schritten nicht folgen und hatten dazu noch andere Handicaps, wie beispielsweise geologische Formationen, die eine Verkehrsinfrastruktur schwieriger oder ineffizienter gestalten. Und das Klima, welches die Gestaltung der Arbeitszeiten schwieriger macht (oft verwechselt mit Faulheit), spielte auch seine Rolle. Eine dünnere Bevölkerung, schwierigere Energieversorgung und viel weniger fruchtbare Agrarflächen sind weitere strukturelle Nachteile.

Eine Gemeinschaftswährung zwischen ungleichen Ländern ist unmöglich

Eine einheitliche Währung zwischen Ländern, die sich aus wirtschaftlich und wie auch immer gestalteten sonstigen Gründen nicht auf dem selben Niveau befinden, ist einfach nicht möglich. Ein Staat kann auch ohne Einheitswährung kollabieren, wie die Geschichte 100 Mal bewiesen hat. Frankreich war in 200 Jahren schon 7 Mal bankrott, Deutschland letztens 1945, Argentinien vor 10 Jahren usw.
Ich rufe in Erinnerung, dass sogar die Benelux-Staaten (Belgien, Niederlande, Luxemburg) damals – zurecht – nicht zu einer einheitlichen Währung kommen wollten, obwohl diese Länder noch vergleichbar sind. Der Euro wäre nur überlebensfähig gewesen, wenn nur Deutschland, Holland, Dänemark, Belgien, Luxemburg, Österreich, bei entsprechendem Willen England und – fragwürdig – noch Frankreich einbezogen worden wären – und das nicht, ohne sich fallweise gegenseitig zu helfen, aber ohne Schock-Effekte. Eine Währungsunion beinhaltet unbedingt Bankenhilfe (und Kontrolle), Arbeitsmigration, Sprache, Auslandpolitik, (ökonomische) Immigrationspolitik, Steuerpolitik, Energie-Austausch (Gas-, Wasserenergie usw.) bis hin zu letztendlich sogar Internetgeschwindigkeits-Politik. Für all das bedarf es zumindest auch eines vergleichbaren Steuerpotentials (pro Kopf), um irgendwie alle zu einigen.
In vorstehend angeführten und auch anderen Fällen des Bankrotts gab es immer einen Schock, eine Entwertung des Geldes (ob bar oder auf der Bank). Was jetzt in Griechenland (möglicherweise in absehbarer Zeit auch Zypern) passiert, ist aber ein langsamer und viel gefährlicherer “schleichender Schock”, wobei nicht schlagartig das Geld seinen Wert verliert, sondern die Menschen in die Position gedrängt werden, langsam – “siga-siga” – auch ihren Sachwertbesitz (z. B. ihre Häuser oder ihr Land) zu verkaufen / zu verlieren, weil der Steuerexplosion nicht mehr entsprochen werden kann. Wer das nicht versteht: die neu verhängten Steuern werden jetzt in Euro bezahlt, nicht in einer devaluierten Neodrachme oder so. Nach einer Geldentwertung (Euro-Exit) würden Steuern leichter aufzubringen sein, meistens ohne Verlust von Immobilien bzw. Land, also ohne Mega-Verlust privater Sachwerte. Bei einem solchen “schleichenden” Schock werden also die Schwächeren einfach ALLES verlieren, wogegen sich bei dem “Währungsschock” nur das noch nicht in Sachwerte umgewandelte Geld “verflüchtigt”, was eher die Reicheren betrifft.
Deswegen ist also ein Euro-Exit Zyperns besser. Das Land wird nach dem Jahr des Schocks wieder konkurrenzfähig werden, damit die Basiswirtschaft wieder endgültig in Gang kommt. Die Menschen behalten ihre Häuser und ihr Land, Geld wird aber anfangs “verdampfen”. Nahrung wird wieder bezahlbar. Die Reicheren werden ihre Pickup-Trucks bis zur Verschrottung fahren und nach 10 Jahre einen Renault kaufen – oder früher, weil 10 Jahre schon viel sind. Griechen oder Zyprioten werden erst einmal auf großartige Importe verzichten müssen, können aber schon ihr Osterfest mit einheimischen Produkten genießen.

Griechenland hat – glücklicherweise – die Industrierevolution verpasst …

Abschließend merke ich an: Griechenland hat die industrielle Revolution “verpasst”, und nur deswegen liebe ich das Land so sehr. Ich sehe, dass man sich um seine Familien, seine Omas und Opas kümmert (in Holland schon “de-individualisiert”), ich muss nicht auf jeder Straße an 10- oder 16-stöckigen Hochhäusern vorbeifahren, und die griechische Gelassenheit wärmt meine Seele. Und sogar in den Vorstädten oder Industriezonen Griechenlands fühle ich mich besser als in Vorstädten von Amsterdam.
Griechenland soll lieber seine Schönheit (Leute und Land) beschützen und den Tourismus fördern, anstatt Geiz-Investoren anzuziehen, die Landschaft mit Windparks und Golfplätzen kaputt zu machen und den Tourismus nach spanischem Vorbild ausbrennen zu lassen. Die Entscheidung liegt bei Griechenland – noch ist es nicht zu spät dafür.
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