Montag, 4. März 2013

Das Kreuz mit der Demokratie

Das Kreuz mit der Demokratie:
Von Armin Wertz
Berlin möchte Europa vor der italienischen Infektion bewahren. Bloss nicht! Etwas Anarchie verträgt es durchaus. Oder sollten etwa die CIA-Praktiken im Kalten Krieg das Vorbild für marktwirtschaftliche Disziplinierung sein?
Der deutsche Michel ist stolz auf seine Wirtschaft. Die deutsche Wirtschaft schnurrt und fluppt wie ein geöltes Rädchen. Davon hat der deutsche Michel mit seinen Dumpinglöhnen, die zum Leben zu niedrig und zum Sterben zu hoch sind, zwar nichts. Aber wenn es den Boni-Empfängern gut tut, dann tut’s wahrscheinlich Deutschland gut. Und darauf kann man ja stolz sein. Das sollen uns die andern erst mal nachmachen!

Ungeliebter Primus

Nun stellt sich aber dummerweise heraus, dass die andern uns gar nicht kopieren wollen. Das bringt den deutschen Michel mächtig auf. Er überschlägt sich geradezu. In Italien «schläft die Vernunft“, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung aus Rom. «Der Sanierer Monti, der Liebling der Europäer, hat enttäuschend abgeschnitten», der Sozialdemokrat Bersani hatte bei den Wahlen zur Abgeordnetenkammer «knapp die Nase vorn, im nicht weniger wichtigen Senat liegt er gleichauf mit Berlusconis Mitte-rechts-Allianz. Und dann ist da noch der sogenannte Komiker Grillo… Soviel Klamauk war nie.»
«Warum bloss tun die Italiener sich und dem Kontinent das an», fragte die Süddeutsche Zeitung staatstragend und regierungsnah und träumte vermutlich mit vielen anderen Deutschen einen deutschen Traum von Stabilität, Reformen, Ordnung, Disziplin und all den andern Sekundärtugenden, die der deutsche Michel so sehr liebt, dass er dafür gelegentlich sogar die ganze Welt mit Krieg überzieht. Doch nun heisst es: «Aus der Traum. Nur jeder zehnte Italiener stimmt für Monti. Die Wahlen werden zur Opera buffa. Ein gerissener Faun und ein tobender Clown sind die Überraschungssieger.»
Und einer der deutschen Obermichels, der gelegentlich auch mal die Kavallerie in die Schweiz schicken möchte, um dort ebenfalls für deutsche Ordnung zu sorgen, war «geradezu entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben.”

Deutschland und Rest-Europa

«Berlin ist alarmiert, dass die ‚Infektion‘ der italienischen Krise den Rest Europas» anstecken könnte, beobachtete die spanische Zeitung El País. Offenbar ist man in Madrid nicht so aufgeregt. Aber die Spanier haben ja auch noch nie geglaubt, an ihrem Wesen könne die Welt genesen.
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