von Gert Flegelskamp
Eigentlich wollte ich ja anderes schreiben, aber nun hat sich unser Bundespräsident zu Wort gemeldet und eine Rede an die Nation gerichtet.
Man merkt, Gauck ist ein Prediger, ein Prediger, den Realität nicht sonderlich kümmert, sondern eine Ideologie in den Vordergrund rückt. Ungeniert verkündet er die europäische Ideologie, wenn er vom Wertekanon als identitätsstiftende Quelle fabuliert:
Und dennoch hat Europa eine identitätsstiftende Quelle – einen im Wesen zeitlosen Wertekanon, der uns auf doppelte Weise verbindet, als Bekenntnis und als Programm. Wir versammeln uns im Namen Europas nicht um Monumente, die den Ruhm der einen aus der Niederlage der anderen ableiten. Wir versammeln uns für etwas – für Frieden und Freiheit, für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Gleichheit, Menschenrechte und Solidarität.
Doch genau die im letzten Satz formulierten Attribute lässt dieses Europa vermissen. Der Frieden wird an etlichen Stellen in der Welt durch Europäische Staaten konterkariert, in Form von Kriegshandlungen, die das Völkerrecht in dieser Form als Verstoß wertet. Die Freiheit wird durch ständige Ausweitung von Überwachungsmodalitäten zu Grabe getragen und ist inzwischen weit ausgeprägter, als die des Dritten Reiches und der DDR. Die Demokratie hat im gesamten Formungsprozess dieses Europas noch nie eine Rolle gespielt, denn die Befragung der Völker ob ihrer Zustimmung blieb aus oder wurde, dort wo sie stattfand, ignoriert weil sie nicht dem politischen Willen entsprach. Das zwar implementierte Parlament hat nur eingeschränkte Rechte und kein Initiativrecht, eigentlich ein Grundrecht einer Demokratie. Die Rechtsstaatlichkeit, das hat uns der ESM-Vertrag gezeigt, spielte keine Rolle. Um den Vertrag durchzuboxen, wurde sowohl nationales als auch europäisches Recht gebrochen (Bruch der Bailout-Klausel, Bezug auf einen nicht existierenden Absatz in Artikel 136 und auf einen noch nicht existierenden Text des Protokolls Nr. 14 und Verstoß gegen Protokoll Nr. 4 Lissabonvertrag). Die Gleichheit und Solidarität trägt eher grüne Merkmale und manifestiert sich in Formen wie Homo-Ehe oder neuerdings die Idee eine Ehegattensplittings für Homo-Paare, verwehrt aber z. B. Arbeitslosen grundsätzliche Menschenrechte und jede Form der wirklichen Solidarität wird auch gesetzlich unterminiert.Dieses Europa wurde als Wirtschaftsgemeinschaft ins Leben gerufen und ist über diesen Status nie hinausgekommen. Die EU-Bürgerschaft wurde diktiert, ohne die Bürger zu fragen, ob sie das auch wollen. Die Annäherung der Völker wurde nie angestrebt und auch zur Gemeinschaftswährung wurden die Bürger nie befragt. Sie wurde uns aufs Auge gedrückt, obwohl es genügend Stimmen gegeben hat, die diese Währung als nicht zielführend bezeichnet haben, weil die unterschiedlichen Steuer- und Wirtschaftssysteme sich zerstörerisch auswirken würden. Dass diese Stimmen recht hatten, ist derzeit überdeutlich zu spüren. Sicher, es ist bequemer, in einigen Ländern nun mit gleicher Währung zu zahlen, doch damit verliert man den Überblick, dass man für gleiche Leistung oder gleiche Ware auch wesentlich mehr hinblättern muss.
Aber Herr Gauck möchte ja nun diese Systeme auch an Europa übertragen. Doch was würde das ändern? Arme Länder bleiben arm. In Deutschland wollen derzeit Bayern und Hessen gegen den Länderfinanzausgleich klagen, Wie wird das erst mal aussehen, wenn die EU ein föderaler Staat wird? Für mich drängt sich da der Vergleich mit multinationalen Konzernen auf. Auch die fusionieren permanent. Obwohl diese Fusionen selten einen wirklichen Gewinn, dafür aber einen immensen Zuwachs an Macht gebracht haben. Die Größe dieser Konzerne verhindert, dass die Konzernlenker (so nennt man sie gerne) überhaupt noch wissen, was in den regionalen Filialen vorgeht und zumeist auch kein Fachwissen von dem haben, was sie so alles produzieren. Sie sind zu Zahlenjongleuren mutiert und wenn für einen Teilbereich die Zahlen nicht stimmen, verscherbelt man ihn an einen Hedge-Fond oder zerschlägt ihn gleich selber. Aber ein Europäischer Staat kann arme Länder nicht an Hedge-Fonds verscherbeln, das geht nur momentan nach ESM-Regeln mit Hilfe des IWF, weil diese Staaten noch Nationalstaaten sind, aber ihre Eigenständigkeit zum großen Teil an die EU abgetreten haben. Nun sind die armen Länder in die Bredouille gekommen (dank Euro und Freihandel) und schon ist der IWF und neuerdings auch der ESM da und fordert nach altem IWF-Muster weitgehende Privatisierung. Damit taucht ein Umstand auf, den Gauck vergessen hat, zu erwähnen, die Verbindungen zu anderen supranationalen Organisationen, mit denen diese EU Verträge schließt (WTO), von denen kein “EU-Bürger” weiß und über die er auch nicht informiert wird.
Da preist unser Präsident den Gemeinschaftsgeist dieses Europa, als wenn er nicht wüsste, dass dieser Gemeinschaftsgeist durch fortschreitende Privatisierung an Konzerne verkauft wird. Man preist uns die Europäische Union an wie Sauerbier, aber mit jedem Integrationsschritt ist der Wohlstand der Bürger, abgesehen von ein paar Ausnahmen, weiter geschwunden. Und niemand hat mir bisher beweisen können, dass größer gleichzeitig auch besser ist. Gauck spricht über die “aufstrebenden Schwellenländer” und meint damit vor allem China und Indien. Würde er wirklich hinschauen und dabei die Größe dieser Länder in seinen Blickwinkel einbeziehen, würde er erkennen, dass so große Länder nie wirklich demokratisch sind. Bei China wird ja auch stets auf die fehlende Demokratie verwiesen, Bei Indien sticht besonders das nach wie vor etablierte Kastenwesen und das weit verbreitete Elend ins Auge. Je größer ein Land ist, desto weniger haben die Regierenden einen Überblick über das, was sich wirklich in den von ihnen regierten Staaten abspielt. Und die Provinzregierungen fallen vor allem durch zunehmende Korruption auf. Das ist in Europa nicht anders. Aber was rede ich von Demokratie. Die habe ich eigentlich bisher nur als Theorie kennengelernt, aber bei genauerem Hinschauen nicht wirklich erlebt.
Quelle: flegel
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