Montag, 28. Januar 2013

Zur "Katastrophe" in Fordo

Zur "Katastrophe" in Fordo:
Die israelischen und pro-israelischen Medien begannen vor ein paar Stunden damit, massenweise Meldungen von einer Katastrophe im iranischen “Zentrum für die Urananreicherung”, Fordo, zu bringen. Man spricht von einer gewaltigen Explosion, durch deren Wirkung Gebäude in einem Radius von 5 Kilometern um das Zentrum herum eingestürzt oder beschädigt worden seien. Das unterirdisch gelegene Zentrum soll mehr oder weniger völlig zerstört sein, es werden Details genannt bis hin zu Feuerleitern und den Positionen, an denen die beiden Fahrstühle steckengeblieben sind. 190 Personen sollen in 90 Metern Tiefe eingeschlossen sein. Es wird behauptet, diese Explosion sei ein Anschlag - angeblich hätten Saboteure in monatelanger Arbeit Sprengstoff gewissermaßen in ihren Hosentaschen hineingebracht und konnten ihn schließlich zünden.

Offen gesagt ist schon allein dieses ganze Potpourri an Information als solches eher geeignet, die Sache zu bezweifeln. Nachdem inzwischen eine Reihe von israelischen Internetseiten selbst diese Meldung einfach wieder löschte, wird langsam klar, dass es sich um eine banale Ente handelt, die aber vorher nicht gerade glaubwürdig war: um als Folge von einer tief unter der Erde gezündeten Explosion im Radius von 5 Kilometern noch Häuser einstürzen zu lassen, hätten die Attentäter nicht bloß Sprengstoff in ihren Taschen dahinschaffen müssen, sondern ordentliche Kernsprengsätze in der entsprechenden Menge. Und das ein paar Monate lang. Ein Meme zu dieser Anlage ist ja immer, dass “schwerste bunkerbrechende Waffen” dort keine Chance hätten. Aber der heute gemeldete Anschlag macht von dort aus durch dieselben Felsschichten Infrastruktur und Gebäude in enormem Umkreis kaputt.

Scheinbar hat Netanjahu nach seinem Wahlsieg auch nichts Neues mehr anzubieten, als die Fortsetzung des Iran-Themas. Nach zwei Jahren eines grassierenden “Arabischen Frühlings”, der die Sicherheitskonstruktion des gesamten Nahen Ostens über den Haufen wirft, hat Netanjahu immer noch keine Strategie oder ein Programm artikuliert, wie er sich denn die Existenz Israels in diesem vollkommen andersartigen Umfeld vorstellt. Die einzig richtige Antwort wäre eine Mobilisierung - von Ressourcen, Menschen und Ideen. Die ist aber nur dann gut, wenn man weiß, wofür genau sie da ist. Bislang hat Netanjahu nichts dergleichen von sich gegeben. Also dient der Iran als herkömmliche, wohlfeile Zielscheibe - da muss man nichts Neues erfinden. Das zombisierte Wahlvolk wird das gehorsam verspeisen.

Währenddessen scheint in Israel so etwas wie eine Protestbewegung heranzureifen, der es scheinbar einfach stinkt, ewig die gleichen Hackfressen auf den Fernsehschirmen zu sehen. Von der Qualität nicht besser als die ganze Soße um die “Weiße Schleife” im vergangenen Jahr in Russland, aber immerhin. Auf Anhieb 19 Sitze im Parlament erreichte die quasi am Vortag der Wahlen aus dem Boden gestampfte Jesch Atid unter der Führung des bekannten Fernsehmoderators Jair Lapid. Im Programm: Geld von den Haredim (den “Ultrareligiösen”) und den Beamten abzwacken, bezahlbarer Wohnraum, Verbesserung der Lage der Mittelschicht, “Gesundung des politischen Systems”. Lediglich zwei konkrete Punkte gab es im Wahlprogramm: Wehrpflicht oder Wehrersatzdienst für alle gleichermaßen (bislang sind die Haredim davon befreit) sowie eine Reduzierung der Ministerposten in der Regierung. Mit anderen Worten: nichts Konstruktives, womit man arbeiten könnte. Doch die Unterstützung durch die Wähler blieb eben nicht aus.

Unter solchen Bedingungen ist das einzige, was das politische Establishment scheinbar anzubieten hat, eine Konsolidierung der eigenen Reihen. Dazu braucht es einen Feind, und dafür passt der Iran immer noch am besten. Die Feindseligkeit gegenüber dem Iran ist in Israel demnach immer noch primär ein innenpolitischer Faktor.

Wenn es mit dem Iran keine Probleme gibt, erfinden die israelischen Medien eben welche. Und das unbedingt mit dem Unterton einer katastrophalen Bedrohung.

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