Ein neues Jahr voller Überraschungen:
von Manfred Gburek
Zu Weihnachten bekam ich von meinem Sohn die beiden wirklich empfehlenswerten Bestseller von Rolf Dobelli geschenkt, „Die Kunst des klaren Denkens“ und „Die Kunst des klugen Handelns“. Aus dem ersten stammt dieses Zitat: „Seien Sie Prognosen gegenüber kritisch.“ Die Warnung mag zwar nicht besonders originell sein, aber Dobelli würzt sie mit einem Vergleich: Während angestellte Prognostiker ihren Job verlieren könnten, wenn sie ständig danebenliegen, beziehen selbst ernannte Trendgurus ihr Einkommen über Bücher und Vorträge. Solche Gurus sind ganz besonders auf die Medien angewiesen. Dementsprechend fallen ihre Prognosen sensationell aus. Fazit: Denken Sie daran, wenn Sie in diesen Tagen mit Dax-, Goldpreis-, Dollar-, Inflations-, Zins-, Konjunktur- und sonstigen Prognosen überschüttet werden.
Auch das zweite Dobelli-Buch enthält Warnungen wie die vorgenannte, ebenso ernst zu nehmende Empfehlungen. Hier nur ein Beispiel: „Die beste Art, sich gegen böse Überraschungen zu schützen, ist es, Überraschungen zu erwarten.“ Überraschungen sind für Anleger an der Tagesordnung. Ein ganz aktueller Fall: Der Streit um die sogenannte Fiskalklippe in den USA, von dessen Ausgang das wirtschaftliche Wohl und Wehe der ganzen Welt abhängen könnte. An diesem Sonntag trifft sich das US-Repräsentantenhaus, um doch noch einen Kompromiss zwischen den streitenden Parteien – Republikaner und Demokraten – zustande zu bringen. Was danach kommt, bleibt einstweilen ungewiss. Das sollten Anleger bis auf Weiteres beachten.
Erinnern Sie sich noch daran, wie im Frühjahr 2010 plötzlich das Thema Griechenland die Schlagzeilen beherrschte, das uns bis heute nicht loslässt, auch wenn es mittlerweile abgedroschen erscheint? Dabei unterschieden sich die Rahmenbedingungen für das Land damals kaum von denen zwei oder drei Jahre zuvor, das heißt, es war schon vorher de facto pleite. Die Staatsanleihen der Euroländer wiesen vor 2010 keine nennenswerten Renditeunterschiede auf. Warum begannen die Renditen dann ausgerechnet im besagten Frühjahr stark auseinander zu gehen? Und welcher Teufel ritt damals den Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart, sich für griechische Anleihen stark zu machen, deren anschließende Kurs-Schwindsucht so manchen Anleger ums Ersparte gebracht haben dürfte? Solche Fragen lassen sich nicht einmal im Nachhinein schlüssig beantworten, geschweige denn im Rahmen einer Prognose.
Wenn man wissen will, was uns 2013 und darüber hinaus erwarten könnte – nicht, was uns erwarten wird, denn das ist kaum zu ergründen -, lohnt es sich, die bereits vorhandenen Ungleichgewichte, Ungereimtheiten und Schieflagen der Wirtschaft Revue passieren zu lassen. Aus denen entwickelt sich nämlich so manche positive oder negative Überraschung, die dann in finanziellen Erfolg oder zumindest in das Vermeiden von Misserfolgen umgesetzt werden kann.
Das derzeit größte wirtschaftliche Ungleichgewicht besteht im weltweiten Missverhältnis zwischen den nur noch ungefähr bezifferbaren öffentlichen und privaten Schulden einerseits sowie den bestenfalls grob abschätzbaren realen Werten andererseits. Politiker und Zentralbanker versuchen dieses Ungleichgewicht auszutarieren, indem sie Ungereimtheiten wie etwa Rettungsschirme oder zusätzliche Aufsichtsgremien etablieren. Dadurch verlagern sie die Schieflagen nach und nach ganz in den öffentlichen Sektor. Die Überraschung, die uns danach erwartet, wird auf jeden Fall riesengroß sein und zu erheblichen finanziellen Zerwürfnissen führen. Der beste Schutz davor besteht in der möglichst breiten Streuung des Vermögens.
Wir müssen natürlich noch so manche anderen Ungleichgewichte in Betracht ziehen, aus denen sich Überraschungen ergeben können. Zum Beispiel das Missverhältnis zwischen Arm und Reich. Das wird zwar in Deutschland aufgebauscht, wo Honorarmeister und SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Wettlauf mit der Linkspartei populistisch die Keule der sozialen Gerechtigkeit schwingt. Aber woanders – Griechenland, Nordafrika, Russland, China – ist es präsent wie selten zuvor. Die Griechen können von Glück reden, weil ihnen andere Euroländer unter deutscher Führung helfen. Nordafrikaner versuchen sich nach Europa abzusetzen. Russen und Chinesen werden zwar diktatorisch geführt, dürfen sich aber kapitalistisch betätigen, sofern ihr Draht zur Regierung einigermaßen kurz ist.
Das Überraschungspotenzial in diesen Fällen abzuschätzen, ist nur zum Teil möglich. Das wird am Beispiel China besonders deutlich, weil dort die Politik ins Spiel kommt: Bekanntlich sind die USA seit dem Zerfall der Sowjetunion weltweit der Hegemon. Das haben sie denn auch in Irak und Afghanistan zu demonstrieren versucht, wenngleich nicht mit durchschlagendem Erfolg. Doch nun macht ihnen China hegemoniale Ansprüche streitig. Dazu sei ein Vergleich erlaubt: Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wollte das Deutsche Reich Großbritannien die hegemoniale Herrschaft – vor allem zur See und in Übersee – wegnehmen. Die Briten gingen zum Gegenangriff über. Was daraus wurde, geriet mit dem 1. Weltkrieg, der deutschen Hyperinflation und dem 2. Weltkrieg einfach schrecklich. Wir können nur hoffen, dass sich so etwas nicht wiederholt, sobald der Streit zwischen Amerikanern und Chinesen um die Vorherrschaft im Pazifik eskaliert.
Überraschungen, die sich auf Ihre Geldanlage auswirken, sind von daher durchaus schon 2013 zu erwarten. Das liegt daran, dass besonders Finanzmärkte – unter Führung der Wertpapier- und Devisenbörsen – heftig zu reagieren pflegen, sobald Börsianer enttäuscht werden. Oder um mit Buchautor Dobelli zu argumentieren: „Senken Sie die Erwartungen an alles, was Sie nicht kontrollieren können.“ Das ist unter dem Aspekt der Geldanlage bekanntlich sehr viel.
Dennoch möchte ich mich von Ihnen für dieses Jahr nicht verabschieden, ohne noch ein paar weitere Gedanken zum Thema Geld loszuwerden: Über die bereits empfohlene möglichst breite Streuung des Vermögens hinaus wird von 2013 an die finanzielle Freiheit an Bedeutung gewinnen. Das heißt, Kredite herunterfahren oder ganz ablösen, Gold in Form von Anlagemünzen und Barren horten, ebenso Silbermünzen, die 2013 noch dem niedrigen Mehrwertsteuersatz von 7% unterliegen, eine möglichst autarke Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs anstreben, im Zweifel zusätzlich zum eigenen Haus etwas Ackerland kaufen oder pachten, Kontakte mit zuverlässigen Freunden auf- und ausbauen, mit ihnen eine Art Tauschwirtschaft (Produkte und Dienstleistungen) arrangieren und – nicht zu vergessen – nach dem nächsten Rückgang der Aktienkurse um 20 bis 30 Prozent Aktien kaufen. Welche, werde ich Ihnen rechtzeitig schreiben. In diesem Sinn viel Erfolg im neuen Jahr und darüber hinaus!
Quelle: gburek
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