Währungsreform: Unausweichlich?
Und wenn der Euro untergeht?
Von Michael Brückner, Finanzjournalist und AutorArgentinien ist weit, mögen Sie denken. Doch angesichts der rapide steigenden Staatsverschuldung, die in Deutschland und Europa längst ausser Kontrolle geraten ist, sollte sich jeder weitsichtige Anleger auch hierzulande mit der Gefahr einer Währungsreform auseinandersetzen und seine Ersparnisse so sicher wie möglich anlegen.
Eines steht fest: Wann immer eine Währungsreform kommen und wie immer sie im Detail ablaufen mag, am Ende wird sich der Staat auf Kosten seiner Bürger entschulden. Der Bürger zahlt die Zeche für das Versagen der Politik. Das ist die ebenso banale wie brutale Wahrheit.
Zunächst zur spannenden Frage, wie eine solche Währungsreform ganz konkret ablaufen könnte. Vielfach ist zu hören, eine Währungsreform sei gar nicht möglich, weil nämlich die Europäische Währungsunion auf Dauer angelegt und daher irreversibel sei. Mit anderen Worten: Es gibt keinen Weg zurück zur Wiedereinführung der nationalen Währungen.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. In seinem Maastricht-Urteil im Jahr 1993 bezeichnete das Bundesverfassungsgericht einen Ausstieg aus der Währungsunion als «Ultima Ratio», wenn die Stabilitätsgemeinschaft scheitere. Von dieser «letzten Option» könnte Deutschland mithin Gebrauch machen.
Wissenschafter des renommierten Centrums für Europäische Politik (CEP) in Freiburg erklärten im Jahr 2011, Deutschland könne faktisch nicht daran gehindert werden, zur D-Mark zurückzukehren oder aber eine andere Währung einzuführen. Allerdings: Ein solcher Schritt könnte teuer werden, denn die Europäische Zentralbank würde in einem solchen Fall von Deutschland mit Sicherheit verlangen, sich an den wahrscheinlichen Verlusten durch den Ankauf von Staatsanleihen aus Pleitestaaten und weiteren Geschäften mit den Banken der Krisenländer zu beteiligen.
Der Wirtschaftswissenschafter Professor Dirk Meyer von der Helmut Schmidt-Universität in Hamburg schätzt, dass auf diese Weise auf den deutschen Steuerzahler zunächst zusätzliche Belastungen in Höhe von bis zu 30 Milliarden Euro zukommen könnten.
Austritts-Optionen
Doch welche Möglichkeiten haben Deutschland und andere ehemalige Hartwährungsländer, um aus der Schulden- und Samariterunion auszutreten? Hier die wahrscheinlichsten Optionen:
- Deutschland tritt aus der Währungsunion aus und führt wieder die D-Mark ein. Andere Länder folgen: Die Österreicher zum Beispiel zahlen wieder mit Schilling, die Niederländer mit Gulden und die Finnen mit Finnmark. Eintrittswahrscheinlichkeit: Eher gering, da eigentlich niemand mehr ein Europa mit im Extremfall ein paar Dutzend Währungen wünscht.
- Die Staaten führen jeweils ganz neue Währungen ein. Eintrittswahrscheinlichkeit: sehr gering.
- Die neue Währung der europäischen Stabilitätsstaaten – sofern man davon überhaupt sprechen kann – wird an den US-Dollar gekoppelt. Eintrittswahrscheinlichkeit: gleich Null.
- Die Stabilitätsländer der Euro-Zone rufen den «Neuen Euro» oder «Nord-Euro» ins Leben. Dieser Währungsunion treten zunächst Deutschland, Österreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich, Finnland, Estland und – nach einer entsprechenden Sanierung – auch Irland bei. Später würden eventuell Dänemark und Schweden folgen. Längerfristig könnte dieser Währungsraum sogar für die Schweiz und Grossbritannien interessant sein. Eintrittswahrscheinlichkeit: hoch. Auf diese Weise könnten die Vorteile einer gemeinsamen Währung mit einer konsequenten Stabilitätspolitik verbunden werden. Allerdings wären in einer solchen Währungsunion durchaus auch «grenzwertige» Staaten wie Belgien vertreten.
- Die neue Währung wird auf dem bewährten Goldstandard aufgebaut sein. Das wäre sicher in hohem Masse wünschenswert, erscheint aber aus heutiger Sicht eher unwahrscheinlich.
Strenge Geheimhaltung
Ganz gleich, wie eine solche Währungsreform am Ende ausfallen dürfte, gehen Sie bitte davon aus, dass alles unter strenger Geheimhaltung ablaufen wird. Politiker, Notenbanker und natürlich Ihr Bankberater werden energisch dementieren, dass eine Währungsreform bevorsteht. Keiner dürfte Ihnen in dieser Situation die Wahrheit sagen.
Die Erklärung liegt auf der Hand: Würden die Menschen schon Tage zuvor von einer solchen Massnahme erfahren, wäre mit einer panikartigen Flucht aus ihrem bisherigen Geld zu rechnen. Das ganze System bräche zusammen, noch bevor die Reform überhaupt umgesetzt werden könnte.
Währungsreformen und -umstellungen erfordern einen langen zeitlichen Vorlauf. Giesecke & Devrient (G+D), Deutschlands grösste private Gelddruckerei, braucht nach eigenen Angaben etwa ein halbes Jahr, um neue Banknoten zu entwerfen und dann zu produzieren. Fachleute vermuten, dass es noch einige Monate länger dauern könnte, bis Deutschland mit dem neuen Geld versorgt wäre.
Allerdings könnte man sich auch für ein Provisorium entscheiden. Der Ökonom Professor Dirk Meyer schlägt vor, das im Umlauf befindliche Geld – also die Euro-Scheine – mit magnetischer Tinte fälschungssicher zu stempeln. Die auf diese Weise gekennzeichneten Banknoten würden dann als neues Geld anerkannt und könnten später in neue Geldscheine umgetauscht werden.
So könnte es sich abspielen
Und so könnten die letzten Tage vor einer Währungsreform ablaufen: Am später Freitagnachmittag treffen sich im Berliner Bundeskanzleramt hochkarätige Vertreter der Deutschen Bundesbank, der Europäischen Zentralbank, der privaten Banken sowie der Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Gemeinsam mit der Bundesregierung werden die letzten Details des seit Wochen vorbereiteten «Big Bang» erörtert. Der Regierungssprecher kündigt für 20 Uhr – rechtzeitig vor den Nachrichten – ein Statement der Bundeskanzlerin, des Bundesfinanzministers und des Präsidenten der Deutschen Bundesbank an. Noch ahnt niemand, welche Bombe da platzen wird. Die Menschen kommen von der Arbeit nach Hause, freuen sich auf das beginnende Wochenende. Nach ihrem abschliessenden Gespräch mit den Bankern konferiert die Bundeskanzlerin mit führenden Vertretern der Oppositionsparteien sowie Repräsentanten von Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften. Angesichts der hektischen Betriebsamkeit ahnen viele Hauptstadtjournalisten allmählich, dass offenkundig dramatische Stunden bevorstehen.
Kurz vor 20 Uhr gibt die Kanzlerin dann die Einführung der «Neuen Deutschen Mark» bekannt, die an die Stelle des Euro treten soll. Das Umtauschverhältnis wird festgelegt. Der darauffolgende Montag wird zu einem «Bankfeiertag» erklärt. Der gilt jedoch nur für den Zahlungsverkehr sowie das Einlagen- und Kreditgeschäft. Die Mitarbeiter der Geldinstitute arbeiten derweil fieberhaft an der Umstellung der Konten, während Kollegen die Euro-Scheine mit dem erwähnten fälschungssicheren Stempel versehen, der aus Euro-Scheinen «Neue-Deutsche-Mark»-Banknoten macht, für die sofort der gesetzlich festgelegt Umtauschkurs gilt. Montags beschliesst der Deutsche Bundestag auf einer Sondersitzung die Rückführung der Währungssouveränität und ein Gesetz zur Einführung der «Neuen Deutschen Mark». Im Eilverfahren stimmt auch der Bundesrat zu, der Bundespräsident unterschreibt beide Gesetze.
In den folgenden Wochen verhandeln Bundesregierung und Bundesbank mit der Europäischen Zentralbank über die Austrittkonditionen aus der Währungsunion. Deutschland verpflichtet sich, die der EZB entstandenen Verluste durch die Ankäufe von Anleihen aus insolvenzgefährdeten Staaten der Euro-Zone anteilsmässig zu übernehmen. Deutschland muss über 30 Milliarden Euro zahlen, hinzu kommen noch einmal 40 Milliarden Euro für Leistungen des Euro-Rettungsschirms an Pleiteländer. Etwa fünf bis sechs Monate nach Umsetzung der Währungsreform werden die gestempelten Euro-Scheine sukzessive in «Neue-Deutsche-Mark»-Banknoten gewechselt.
Soweit ein mögliches Szenario. Mag sein, dass es auch ganz anders kommt. Wann es soweit sein wird, vermag ebenfalls derzeit niemand zu sagen. Regierungen und Notenbanken werden versuchen, einen solchen Schritt möglichst lange hinauszuzögern. Der Mathematiker und Wirtschaftswissenschafter Professor Ramb rechnet ab 2016 mit einer auf über fünfzig Prozent steigenden Wahrscheinlichkeit einer Währungsreform, ab 2020 sogar mit über sechzig Prozent.
Es bleibt noch Zeit zum Handeln – aber nicht mehr allzu viel. Denn sollte sich die Schuldenkrise weiter zuspitzen – und vieles spricht dafür –, könnte ein solches Ereignis schon wesentlich früher eintreten.
Michael BrücknerQuelle: schweizerzeit
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