Schulanfang – und die Pharma-Branche freut sich:
Denn nun gilt es, die Schar der Zappelphilippe, die während der Ferien ihr Medikament absetzen durften, wieder ruhig zu stellen. Das Mittel der Wahl dafür, und das ist kein Geheimnis, heißt Ritalin. Quelle: egon-w-kreutzer
Der Wirkstoff von Ritalin heißt Methylphenidat -und der ist, genau wie das chemisch ganz nah verwandte Kokain, Gegenstand des Betäubungsmittelgesetzes. Dass die Verordnung von Methylphenidat-haltigen Arzneimitteln an strengste Auflagen gebunden ist, dass es nur als das letzte Mittel eingesetzt werden darf, wenn alle anderen Therapieformen versagt haben, und vor allem auch nur dann, wenn die Diagnose “Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom” oder “Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom” zweifelsfrei gestellt ist, gehört zu jenen Geheimnissen, von denen die meisten Eltern, die nach der zweifelhaften Empfehlung von Lehrern und Kinderbetreuern, es doch mit Ritalin zu versuchen, beim Arztbesuch nichts mitbekommen.
Die ständig steigenden Umsatzzahlen der Pharma-Industrie, die diesen Wirkstoff, auch unter anderen Medikamenten-Namen, vermarktet, sprechen eine deutliche Sprache. Nun ist es – allen warnenden Stimmen zum Trotz – dahin gekommen, dass Methylphenidat, das bisher unter einer strikten Altersbegrenzung stand und nur für die Behandung von Kindern und Jugendlichen mit nachgewiesenem ADS/ADHS eingesetzt werden durfte, auch für Erwachsene freizugeben. Unter wieder einem anderen Namen, aber mit der gleichen “betäubenden” Wirkung – und mit allen gefährlichen Nebenwirkungen und mit dem gleichen Suchtpotential.
Und da lese ich heute in der WELT-online einen Artikel, wie ihn die Werbeagentur eines Pharma-Unternehmens nicht schöner hätte schreiben können. Man habe festgestellt, dass auch Erwachsene unter ADHS leiden, es werden Symptome aufgezählt, die fast jeder schon an sich beobachtet hat – und das, was wir bislang als Stress und Überlastung bezeichnet haben, und was es in den meisten Fällen ja auch ist, was von alleine vergeht, wenn Stress und Überlastung abgebaut werden, wenn der Mensch Mensch sein kann und nicht nur Tag und Nacht funktionieren muss, wird in den Status einer Krankheit erhoben, die – oh Wunder – behandelt werden kann. Mit einem Mix aus “Therapie?”, Beratung und Medikamenten.
Und es wird gewarnt. Es wird ausgerechnet vor Drogenabhängigkeit gewarnt, in die Erwachsene so leicht verfallen können, wenn sie versuchen, ihre stressbedingte Unruhe zu betäuben. Natürlich fällt in diesem Zusammenhang weder der Name von Medikamenten noch der Name des Wirkstoffes, der statt Kokain – das ja noch verboten ist – als legale Droge mit vergleichbarer Wirkung verordnet werden soll.
Damit dürfen sich die Ärzte dann auseinandersetzen, bei denen ab heute die WELT-Leser die Türen einrennen, um sich jenen leistungssteigernden und Prüfungsangst mindernden Mix aus Therapie, Beratung und Medikamenten verordnen zu lassen. Ärzte, die sich damit auskennen, gibt es aber, so steht es auch in diesem Artikel, viel zu wenige. Und was tut ein Arzt, der sich nicht auskennt, im Zweifelsfall, bevor er den Patienten verliert? Er verschreibt ein zugelassenes Medikament, über dessen segensreiche Wirkungen er vom Pharmavertreter umfassend informiert wurde.
Lassen Sie sich nicht zum Zombie machen!
Hier erst ein Link auf einen Aufsatz aus dem letzten Jahr, in dem ich mich Ritalin & Co. ausführlich auseinandergesetzt habe, und dann auf den Artikel in der WELT
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