Das Gehirn eines Kleinkindes vor der Einschulung lernt – modernder Forschung zufolge – etwa 25 Mal schneller und effektiver als das Gehirn von Jugendlichen und Erwachsenen. Dieser dramatische Verlust an Lernfähigkeit ist zutiefst unnatürlich und wird durch die kontraproduktiven Lernprinzipien des Schulsystems verursacht. Durch die Methode „Lernen wie ein Genie“ kann man die eigene natürliche Lernfähigkeit wiederentdecken.
Warum Lernen so mühsam sein kann
Jeder Mensch kennt besondere Augenblicke, die man nie vergisst. An den ersten Kuss, die Geburt eines eigenen Kindes oder an besondere Kindheitserinnerungen können sich fast alle Menschen detailliert auch nach vielen Jahren noch erinnern. Aber hat irgendjemand z.B. im Moment des ersten Kusses versucht, sich dieses Ereignis willentlich zu merken? War irgendeine Anstrengung damit verbunden, sich auch Jahre später genau an dieses Ereignis erinnern zu können? Wohl kaum. Für das Gehirn hatten solche Ereignisse einfach eine hohe Priorität, was automatisch zu einer guten Erinnerung führt, ohne jede Anstrengung. Doch fast alle Menschen, die solche mühelosen Erinnerungen an besondere Ereignisse haben, kennen das Phänomen, Inhalte eines Wissensgebietes erfassen zu wollen und sich dabei erheblich anzustrengen. Oft fühlt sich die Information, die man lernen möchte, wie ein Fremdkörper im Geist an. Der große Irrtum des Lernens, der bereits Kindern in der Grundschule vermittelt wird, besteht in der Vorstellung, diesen „Fremdkörper“ nun durch Fleiß, Anstrengung und Wiederholung besiegen zu müssen. Unser Gehirn jedoch hat seine ganz eigene Art, Prioritäten zu setzen. Mit Willenskraft oder innerem Druck einen bestimmten Inhalt lernen zu wollen, ist für das Gehirn überhaupt kein Anlass, diese Information auch wirklich zu assimilieren. Das Wort Assimilation bedeutet „aus etwas Fremdem etwas Gleiches zu machen“ und genau dieser Schritt kann gar nicht stattfinden, wenn Lernen mit starker Anstrengung einhergeht. Es ist, als würde man Nahrung ungekaut herunterschlucken, dadurch Verdauungsbeschwerden bekommen und nun glauben, man müsste noch mehr ungekaute Nahrung herunterschlucken, um sie irgendwann verdauen zu können. Dies wird sehr viel eher dazu führen, dass der Körper sich übergeben will und genau so sortiert das Gehirn eine mit Anstrengung angeeignete Information wieder aus – das Vergessen hart erarbeiten Wissens ist ein mentales Sich-Übergeben, weil diese Information einfach nicht assimilierbar ist.
Es ist übrigens ein großer Segen, dass unser Gehirn so funktioniert. Ein perfektes Gedächtnis findet man nur bei manchen Autisten, Menschen, die nichts an Eindrücken filtern können und daher in einer permanenten Überwältigung leben. Stattdessen sollte uns wieder die Fähigkeit zur Verfügung stehen, gezielt den mühelosen Lernzustand herzustellen, den wir manchmal in besonderen Momenten des Lebens haben. Dann können wir, wenn wir gezielt etwas lernen wollen, diese Information für unser Gehirn mit einer hohen Priorität versehen und müssen nicht gegen unsere eigenen Filter ankämpfen.
Lernen wie ein Genie – ein Durchbruch in der Praxis
Der Schwerpunkt des Systems „Lernen wie ein Genie“ besteht darin, den Geist in einem Zustand zu bringen und zu halten, in dem neue Information wirklich assimiliert werden kann, d.h. dass man sich zutiefst mit der Materie, die man lernt, vertraut fühlt. Dies ist auch möglich in Wissensgebieten, die völlig neu sind oder sehr viel detaillierte Information beinhalten. Es geht dabei nicht um einen mentalen Zustand des Optimismus, nach dem Motto „ich kann das“. Positives Denken dieser Art überdeckt meistens nur die tiefer im Unbewussten liegenden Zweifel, die das Gegenteil der Affirmation oder des positiven Gedankens in sich tragen. Wenn Kinder spielerisch lernen, sind sie im Grunde nicht mental-optimistisch, sie haben einfach die Fähigkeit, sich auf eine Erfahrung einzulassen, ohne daraus ein Problem zu machen. In der Abwesenheit negativen Denkens wird auch positives Denken unnötig und ein freier, offener Geisteszustand von Unschuld zeigt sich. Hier erfahren Teilnehmer am Seminar „Lernen wie ein Genie“ immer wieder zu ihrem Erstaunen, dass sie viel bessere Lernergebnisse erzielen, wenn sie sich um die Ergebnisse keine Gedanken machen.
Mehr als nur Entspannung
Dieser Zustand der Unschuld kann durch ein paar einfache Prinzipien freigelegt werden, die vor allem die Sinneswahrnehmung und den Körper betreffen. Es handelt sich hierbei nicht um Entspannungsübungen, die den wünschenswerten Alpa-Zustand für das Lernen herstellen, sondern um Prinzipien, deren Anwendung dazu führt, dass man diesen Zustand gar nicht mehr verliert, auch nicht beim Lesen. Hierbei machen dann die Teilnehmer eine weitere bemerkenswerte Entdeckung: Lesen ist bei praktisch allen Menschen ein Auslöser für einen angespannten, vom den primitiven Überlebenszentren des Gehirns dominierten Zustand. Dies liegt nicht am Lesen an sich, sondern daran, dass es in der Grundschule auf völlig unnatürliche Weise vermittelt und auch zu früh in der Entwicklungsphase des Kindes eingeführt wird. Ein Kind im Alter von 6 bis 7 Jahren hat eine räumliche Tiefenwahrnehmung, eine starke Tendenz zum peripheren Sehen, die dem Kind eine starke emotionale Beteiligung und reichhaltige sinnliche Wahrnehmung von der Welt ermöglicht. Nun soll es sich auf einmal über längere Zeitperioden auf ein sehr begrenztes Element, den Buchstaben, konzentrieren. Dies verengt die Wahrnehmung zu einem Tunnelblick, der mit einer Dominanz der Überlebenszentren des Gehirns einhergeht. Probieren Sie es doch gleich einmal aus: Schauen Sie jetzt auf diese aufgeschlagene Seite, aber lassen sie, ohne die Augen zu bewegen, ihre Aufmerksamkeit in die Weite fließen. Nehmen sie wahr, wie weit sie noch Dinge visuell erkennen können, ohne die Augen zu bewegen, denn diese ruhen auf der aufgeschlagenen Seite. Nehmen Sie wahr, wie weit Sie in die Ferne hören können und lassen Sie es zu, dass sich Ihr Gefühl für den Raum um 360° in die Weite ausdehnt. Nehmen Sie wahr, wie sich das anfühlt. Dann verengen Sie Ihre Aufmerksamkeit auf einen Buchstaben und gehen bewusst in einen Tunnelblick. Annähernd 100 Prozent der Menschen, mit denen ich dieses einfache Experiment bislang gemacht habe, waren verblüfft, wie unangenehm der Tunnelblick ist. Aber genau dieser Zustand wird seit den ersten Leseversuchen in der Kindheit bei fast allen Menschen hergestellt, wenn sie ein Buch aufschlagen. Entspannungsübungen sowie Methoden, durch die beide Gehirnhälften synchronisiert werden, und andere gut gemeinte Ansätze können diese Konditionierung nicht wesentlich verändern. Durch die Methoden, die in „Lernen wie ein Genie“ vermittelt werden, löst sich der Tunnelblick beim Lesen in relativ kurzer Zeit auf. Dadurch kann auch ein schwieriges Sachbuch wie ein interessanter Kinofilm erlebt werden, mit voller emotionaler und sinnlicher Beteiligung des Gehirns.
In der Aufhebung des Tunnelblicks liegen auch erhebliche Chancen für Menschen mit Dyslexie. Ein dyslektisches Kind weigert sich unbewusst, in die völlige Enge des Tunnelblicks einzusteigen, weil es dies als emotional sehr schmerzhaft erlebt. Menschen mit Dyslexie sind ja oft visuell-künstlerisch begabt, weil sie innerlich einen Gegenstand von allen Seiten sehen können. Ihnen fällt es aber schwer, eng zu fokussieren und Buchstaben in der richtigen Anordnung zu sehen. Wenn sie lernen, ohne Tunnelblick die weite Wahrnehmung mit einem effektiven 2D-Fokus zu integrieren, profitieren sie immens. Interessanterweise gibt es im Chinesischen keine Dyslexie. In dieser Sprache haben die Buchstaben eine visuelle Bedeutung, sie sind wie Bilder und dies lässt beim Lesen die weite 3D-Wahrnehmung viel leichter zu.
Lerngeschwindigkeit und Kreativität
Einer der vielen Irrtümer über effektives Lernen besteht darin, dass langsames Lesen und Lernen wirksamer sei. Die durchschnittliche Lesegeschwindigkeit in Deutschland beträgt 200 Worte pro Minute, weil fast alle Menschen das, was sie lesen, mental aussprechen. Wenn sie jedes Objekt, das sie sehen, mental benennen würden, könnten sie wahrscheinlich an einem Tag nicht viel mehr schaffen als das Frühstück. Visuelles Erkennen von Objekten ist ohne Aussprechen möglich und das gilt auch für Worte und Sätze. Durch ein visuelles Lesen erhöht sich die Lesegeschwindigkeit, manchmal schon um 50 bis 100 Prozent in den ersten Tagen der Anwendung. Dabei erlebt man dann auch sehr bald ein wesentlich kreativeres Verknüpfen der Information im eigenen Geist. Ein solches Lernen stimuliert auch das eigenständige Denken, ein Hinterfragen des Gelernten und die Fähigkeit, über die Denkweise von Autoren hinauszugehen. Ein Sprichwort aus den Chinesischen Kampfkünsten sagt: „Wer ein Meister wird, entscheidet sich gleich zu Beginn.“ Auch Anfänger in einem Wissensgebiet können mit einer wirklichen inneren Offenheit oftmals erstaunt darüber sein, welche Genialität ihnen zu Verfügung steht, wenn sie natürlich, dem Gehirn entsprechend lernen.
Diese Art des Lernens kann auch ein tiefes Loslassen schmerzhafter Konditionierungen aus der Kindheit bewirken. Immerhin begleitet die Schule den jungen Menschen von der früheren Kindheit bis an die Schwelle des Erwachsenseins. Auf den Seminaren erleben Teilnehmer immer wieder, wie bedrückend sich die in der Schule aufgenommenen Vorstellungen in Bezug auf das Lernen auf sie ausgewirkt haben. Es haben schon etliche Lehrer und Lehrerinnen an den Seminaren „Lernen wie ein Genie“ teilgenommen. Jeder einzelne von ihnen hat innerhalb von zwei Jahren danach den Schuldienst quittiert, weil ihnen bewusst wurde, dass unser Schulwesen an einem natürlichen, effektiven und freudvollem Lernen kein Interesse hat, auch wenn es viele engagierte Lehrer und Schulleiter gibt.
Wenn effektives Lernen erfahren wird als etwas, das natürlicherweise geschieht, wenn weniger Anstrengung und mehr ein freier Fluss der eigenen Lebendigkeit im Vordergrund steht, kann dies eine hilfreiche Lernerfahrung auch für andere Lebensbereiche sein. Die psychologischen Erneuerungsprozesse, die durch effektives Lernen in Bezug auf Bücher und Sachthemen ausgelöst werden können, verhelfen immer wieder Menschen zu einer freieren, freudvolleren Art zu leben.
Quelle: HIER
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