Montag, 16. Januar 2012

Sarkozy will Arbeitsmarkt nach deutschem Vorbild umkrempeln

Sarkozy will Arbeitsmarkt nach deutschem Vorbild umkrempeln:


AAA-Verlust verstärkt Druck kurz vor Jobgipfel in Frankreich

PARIS, 16. Januar (AFP) – “Wir müssen Widerstand leisten, wir müssen kämpfen, wir müssen Mut beweisen.” Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy sprach zwar nach der Herabstufung des Landes durch die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) mit keinem Wort über den Verlust der AAA-Topnote. Umso mehr sprach er aber über die einschneidenden Reformen, die er im Eiltempo noch vor der Präsidentschaftswahl in rund drei Monaten durchsetzen will. Der große Jobgipfel, zu dem der Präsident für Mittwoch geladen hat, wird in Frankreich seit der S&P-Degradierung allerdings nur noch als “Krisengipfel” bezeichnet.

Von einer “beispiellosen” Finanz- und Wirtschaftskrise, vielleicht der schwersten “seit einem Jahrhundert”, sprach auch Sarkozy am Wochenende. Daher müssten “wichtige Entscheidungen getroffen” werden – “ohne Zeit zu verlieren”. Die Pläne für die Reformen hat die konservative Regierung freilich schon seit Wochen in der Schublade – unabhängig von der S&P-Herabstufung. Die heimischen Unternehmen sollen wettbewerbsfähiger werden und die Arbeitslosigkeit soll gesenkt werden. Sarkozy will sogar “Tabus brechen”.

Konkret geht es um Reformen, die in Deutschland so oder ähnlich bereits umgesetzt wurden und die bei den Gewerkschaften auf wütende Ablehnung stoßen: Erhöhung der Mehrwertsteuer bei gleichzeitiger Senkung der Lohnnebenkosten, längere Arbeitszeiten statt 35-Stunden-Woche und Kurzarbeit.

Sarkozy hämmert den Franzosen immer wieder ein, dass Deutschland mit seiner AAA-Einstufung das große Vorbild sein müsse, denn dort blühe die Wirtschaft trotz der Krise und unpopuläre Reformen am Arbeitsmarkt seien längst umgesetzt. Erst kurz vor Weihnachten empfing er den sozialdemokratischen Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, dessen “Agenda 2010″-Reformen er in den höchsten Tönen lobt.

Beim Gipfel mit Gewerkschaften und Unternehmern will Sarkozy am Mittwoch sondieren, ob seine Pläne, darunter auch die Finanztransaktionsteuer, ausreichend Unterstützung finden. Für Ende Januar hat er eine Rede ans Volk angekündigt und noch im Februar sollen Beschlüsse im Parlament folgen. Sein Aktionismus so kurz vor der Wahl stößt beim politischen Gegner zwar auf Kritik, doch die Wettbewerbsfähigkeit ist im Wahlkampf ein großes Thema und “Made in France” wird über die Parteigrenzen hinweg als Konzept gegen Billig-Importe propagiert.

Tatsächlich ist für die Franzosen die Arbeitslosigkeit, die den höchsten Stand seit zwölf Jahren erreicht hat und im November bei 9,3 Prozent lag, derzeit die größte Sorge. 100.000 Industriearbeitsplätze gingen in den vergangenen drei Jahren verloren. Pünktlich zum Jobgipfel wurde zudem eine Studie publik, wonach die Franzosen im EU-Vergleich fast die geringste Stundenzahl arbeiten. Prompt forderte die Unternehmervereinigung Medef, dass nun endlich Schluss sein müsse mit der von den Sozialisten eingeführten 35-Stunden-Woche.

Doch selbst die konservative Regierung will diese Büchse der Pandora so kurz vor der Wahl nicht öffnen: Arbeitsminister Xavier Bertrand plädiert vielmehr für “Wettbewerbspakte” in Unternehmen mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, um Arbeitszeit und Produktion flexibler anpassen zu können. De facto besteht die 35-Stunden-Woche nach Änderungen ohnehin nur noch teilweise. Die Gewerkschaften argwöhnen, dass die Arbeitnehmer am Ende die Zeche zahlen sollen und haben am Tag des Gipfels zu Demonstrationen aufgerufen.

Selbst im konservativen Regierungslager wird mittlerweile laut die Frage gestellt, warum Sarkozy solch umfangreiche Strukturreformen nicht schon längst in die Wege geleitet hat. Denn völlig offen ist, ob der in den Umfragen zurückliegende Präsident seine Maßnahmen während einer zweiten Amtszeit wird weiterverfolgen können. Die sozialistische Opposition hat jedenfalls schon angekündigt, dass sie “unsoziale” Reformen wie eine höhere Mehrwertsteuer wieder rückgängig machen werde, sollte sie die Wahlen gewinnen.

cp/lon/mt

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