
Abgeordnete erstattet Anzeige nach Todesdrohungen
MARSEILLE, 26. Dezember (AFP) – In Frankreich ist ein Hackerangriff auf die Internetseite der konservativen Abgeordneten verübt worden, die den Entwurf für ein umstrittenes Völkermord-Gesetz vorgelegt hatte, das das Leugnen des “Völkermordes” an den Armeniern bestraft. Die Abgeordnete Valérie Boyer klagte zudem über Todesdrohungen und Beschimpfungen.

Sie habe Anzeige erstattet, weil sie seit der Abstimmung über den Gesetzentwurf vergangene Woche Opfer von “Beleidigungen und Beschimpfungen, von Vergewaltigungs- und Todesdrohungen” sei, sagte Boyer am Montag in Marseille. Auf der Homepage der Abgeordneten von der Regierungspartei UMP war am Sonntag vorübergehend eine türkische Fahne auf schwarzem Hintergrund zu sehen. In einer Textbotschaft hieß es unter Anspielung auf die Präsidentschaftswahl in Frankreich im nächsten Frühjahr: “Ihr Franzosen seid so erbärmlich und mitleiderregend, dass ihr die Wahrheit verachtet, um Stimmen zu erhalten.” Die Internetseite der Abgeordneten aus Marseille wurde daraufhin vom Netz genommen.
In der auf Englisch und Türkisch verfassten Hacker-Nachricht wurden auch die in Frankreich lebenden Armenier attackiert. “Ihr, die armenische Diaspora, seid solche Feiglinge, dass ihr nicht den Schneid habt, die armenischen Archive zu öffnen und euch der Wahrheit zu stellen.”
Der von Boyer eingebrachte Gesetzentwurf, den die Nationalversammlung in Paris am vergangenen Donnerstag verabschiedete, stellt das Leugnen eines in Frankreich anerkannten Völkermordes unter Strafe. Dazu zählt das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich zwischen 1915 und 1917. Die Türkei lehnt den Begriff Völkermord ab und setzt die Opferzahl deutlich niedriger an als Armenien und ein Großteil der internationalen Forschung. Aus Protest gegen die Verabschiedung des Gesetzentwurfes in der Nationalversammlung legte Ankara die politische und militärische Zusammenarbeit mit Paris auf Eis und beorderte den Botschafter aus Frankreich zurück in die Heimat.
In Israel prüft inzwischen ein Parlamentsausschuss, ob das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord anerkannt werden soll. Der Bildungsausschuss debattierte am Montag über einen Gesetzentwurf, demzufolge der 24. April zum “Gedenktag an das Massaker am armenischen Volk” erhoben werden soll.
Das israelische Parlament hatte 2007 einen ähnlichen Vorschlag abgelehnt, als die Beziehungen zur Türkei noch gut waren. Seit einem Jahr ist das Verhältnis zwischen Israel und der Türkei angespannt, nachdem die israelische Armee im Mai 2010 neun türkische Aktivisten getötet hatte. Sie hatten versucht, mit einem Schiff die Blockade des Gazastreifens zu durchbrechen. Die Türkei wies im Oktober den israelischen Botschafter aus und unterbrach alle militärischen und verteidigungspolitischen Verbindungen zu Israel.
Die Vereinten Nationen hatten das Massaker an den Armeniern 1985 als Völkermord eingestuft. Nach Angaben der Armenier starben damals rund 1,5 Millionen Menschen, die Türkei geht von bis zu 500.000 Getöteten aus.
cp/gt
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