Es ist das schwarze Herz Britanniens, der Platz, wo Demokratie stirbt, immens mächtig und niemanden zur Rechenschaft verpflichtet. Aber ich bezweifle, dass einer von 10 Briten überhaupt weiß, was die Corporation of the City of London überhaupt ist und wie sie arbeitet.
Das könnte sich ändern. Zusammen mit der Kirche von England versucht die Corporation, die Demonstranten zur Räumung zu zwingen, welche vor der St. Pauls Cathedral ihre Zelte aufgeschlagen haben.
Was ist das für ein Ding? Vordergründig ist es so etwas wie ein Gemeinderat, der für ein kleines Areal von London zuständig ist und welche als die “Square Mile” (Quadratmeile) bekannt ist. Aber unter den Londoner Gemeindverwaltungen ist die “City of London” einzigartig, wie ihre Webseite verkündet. Darauf können Sie Gift nehmen: Es gibt 25 Wahlkreise in der “Square Mile“. In vier der Wahkreise dürfen die 9000 Einwohner wählen. In den restlichen 21 Wahlkreisen werden die Wahlstimmen durch die Firmen kontrolliert, meistens sind es Banken oder andere Finanzinstitute. Je größer die Firma, umso größer die Anzahl der Stimmen: Ein Firma mit 10 Angestellten hat 2 Stimmen, der größte Arbeitgeber hat 79 Stimmen. Es sind aber nicht die Angestellten, welche abstimmen, sondern ihre Bosse, welche die Leute aussuchen, die wiederum als “Wähler” fungieren. Sowas nennt man schlicht und einfach Plutokratie.
Es gibt vier Schichten von gewählten Repräsentanten in der Corporation: die gemeinen Ratsmänner, die Stadträte, die Sheriffs und den Lord Bürgermeister (Lord Mayor). Um sich für eines dieser Ämter zu qualifizieren, muss man ein freier Bürger der City of London sein. Um ein solcher zu werden, muss man von einem Stadtrat empfohlen werden. Dabei haben Sie größten Chancen, wenn sie Mitglied in einer der Livreegesellschaften ( livery companies) sind: Mittelalterlichen Gilden, wie die ehrenwerten Kompagnien der Straßenhändler, der Strassendiebe und der Einbrecher. Wer Sheriff wird, den bestimmen die Livreegesellschaften aus dem Kreise der Stadträte. Wie kommt man in eine Livreegesellschaft? Fragen Sie nicht.
Wenn man Lord Mayor werden will, muss man vorher Stadtrat und Sheriff gewesen sein und man braucht die Unterstützung und die Einwilligung des des Gremiums der Stadträte und der Livreegesellschaften. Außerdem sollte man stinkreich sein, weil man vom Lord Mayor erwartet, dasss er aus seinem privaten Vermögen Gelder für die Kosten des Bürgermeisteramtes beisteuert. Das ganze ist in anderen Worten ein offizielles Netzwerk der alten Knaben.
Der gegenwärtige Lord Mayor, Michael Bear, wurde in der City in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Spitalfields development group bekannt, an der die Corporation einen größeren Geschäftsanteil hielt, obwohl das Projekt außerhalb der Herrschaftsgrenzen der Corporation liegt. In seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der Firma kam es zu einem kontroversen Spekulationsgeschäft. Dies wirft Licht auf eine weitere einzigartige Stellung der Corporation. Sie besitzt einen gigantischen Pool von flüssigem Geld, das sie nach Gutdünken und ohne jede demokratische Aufsicht einsetzen kann. Genauso, wie sie ihr enormes Liegenschaftenportfolio mit dem Geld dauernd ausweitet, so benutzt sie dieses Geld, um Lobbyarbeit für die Banken zu leisten.
Die Aufgabe des Lord Mayors ist, wie auf der Webseite der Corporation steht, “die Tore zu öffnen für Geschäfte auf höchster Ebene, im Laufe dessen er die Werte der Liberalisation darlegt”. Liberalisation ist das Banker-Wort für Deregulation: Der Prozess, der den Finanzcrash verursachte. Die Corporation brüstet sich damit, “im Parlament die speziellen Interessen der Cityzu regeln”, wie etwa die Bankenreform oder die Regulation der Finanzdienstleistungen. Die City unterhält auch “extensive Partnerschaften mit mit Think Tanks… welche energisch die Ansichten und die Bedürfnisse der Finanzdienstleister vorantreiben.” Aber das ist lange noch nicht alles.
Wie Nicholas Shaxson in seinem faszinierenden Buch “Schatzinseln” erklärt, existiert die Corporation außerhalb vieler Gesetze und demokratischer Kontrollen, denen der Rest des Vereinigten Königreichs unterliegt. Die City of London ist der einzige Teil Britanniens, über welchen das Parlament keine Autorität hat. Zumindest in einer Hinsicht steht sie sogar über dem Parlament: Es zwingt dem Unterhaus gar eine Figur auf, welcher der remembrancer (Erinnerer) genannt wird. Das ist ein offizieller Lobbyist, der hinter dem Stuhl des Sprechers des Hauses sitzt und sicherstellt, dass die Rechte und Privilegien der Citygeschützt werden, egal, was die gewählten Repräsentanten darüber denken…..
Mehrere Regierungen versuchten, die City of London zu demokratisieren, aber alle Versuche waren aufgrund der Finanzmacht der City zum Scheitern verurteilt. Wie schon Clement Attlee lamentierte, “immer und immer wieder haben wir gesehen, dass in diesem Land eine andere Macht existiert, als die, welche in Westminster sitzt.” Die City hat ihre bemerkenswerte Position benutzt, um sich als gewissermaßen als einen “Offshore State” zu etablieren. Sie verfügt über eine geheime Jurisdiktion, welche das Netzwerk der Steueroasen kontrolliert, das in den Kolonien und Überseegebieten der britischen Krone existiert. Dieser autonome Staat innerhalb unserer Grenzen ist in der Lage, das schmutzige Geld der Oligarchen, der Kleptokraten, Gangster und Drogenbarone zu waschen. Wie die französische Untersuchungsrichterin Eva Joli bemertkte, hat die City “niemals den auch nur den kleinsten Beweis an eine fremde Behörde” geliefert. Die City beraubt das Vereinigte Königreich und andere Nationen ihrer legalen Steuereinnahmen.
Die City hat auch eine effektive Regulierung des globalen Finanzsystems beinahe unmöglich gemacht. Shaxson zeigt auf, wie das Fehlen entsprechender Regulierungen in London amerikanischen Banken erlaubte, die Regeln ihrer eigenen Regierung zu umgehen. Die wilden Spekulationen von AIG mögen in den USA stattgefunden haben, aber die verantwortliche Einheit saß in derCity. Lehman Brothers konnte keine Erlaubnis für ihre außerbilanzmäßigen Geschäfte an der Wall Street erwirken; so benutzten sie stattdessen eine Londoner Anwaltskanzlei. Kein Wunder, dass nun Priester wegen der geplanten Vertreibung der Camper ihr Amt aufgeben. Die Kirche von England arbeitet nicht nur mit dem Mammon; sie spielt steckt mit Babylonunter einer Decke.
Wenn sie sich jemals gefragt haben, ob das Vereinigte Königreich eine geschriebene Verfassung barucht oder nicht, so können Sie ruhig damit aufhören. Stellen sie sich vor, welche Klauseln nötig wären, um den Status der Corporation unangetastet zu lassen.
Die Privilegien der Corporation könnten einer öffentlichen Untersuchung nicht standhalten. Vielleicht ist deswegen eine schriftlich niedergelegte Verfassung im Vereinigten Königreich eine ferner Traum. Die Macht der City erklärt auch, warum die Bankenregulierung nicht vorankommt, warum es zu keinen Einschränkungen bei den Boni kommt und warum einen Regierung nach der anderen versagt, wenn es um die britischen Steueroasen geht.
Aber jetzt dämmert es uns allmählich. Es kommt zustatten, dass die Lord Mayor’s Show, bei der sich die Corporation in ihrem alten Reichtum und ihrer Macht zur Schau stellt, am 12. November stattfindet. Wenn es jemals einen Festumzug gegeben hat, der nach friedlichen Protesten schreit: Hier ist er. Erwarten Sie Feuerwerke – und nicht nur solche, die vom Lord Mayor entzündet werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen